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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
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wobei sie die Tür so fest gegen die Wand schlug, dass alle Fenster des Gebäudes klirrten. Drinnen sprang eine korpulente Frau in einem grellgeblümten Strickkleid zurück von der schmächtigen Gestalt mit ergrauendem, braunem Haar, die sie anscheinend gerade hatte verschlingen wollen.
    »Uh! Was zum – oh!« Marguerite Dallours finsteres Boxergesicht wechselte zu einem affektierten Lächeln, als sie die Eindringlinge erkannte. Sie hob eine Hand und tätschelte ihre dauergewellte Haartracht, wobei sich ein dunkler, kreisförmiger Schweißfleck auf ihrem Kleid zeigte. Verkrusteter Gesichtspuder schwebte auf ihren gallertartig wogenden Busen herab. »Mrs. Risk! Wie reizend, aber erschreckend, Sie so früh am Tag zu sehen.« Nachdem sie Rachel schnell als sozial unbedeutend eingeschätzt hatte, ignorierte Ms. Dallour sie. »Ich bin überrascht, dass Sie morgens nicht ausschlafen, sondern wie wir armen, berufstätigen Mädels herumrennen. Nickerchen halten Frauen Ihres Alters frisch.« Sie grub tief unten in ihrer Handtasche, dann zündete sie sich eine Zigarette an. »Und wie schaffen Sie es nur, Schwarz an einem heißen Tag so, äh, luftig aussehen zu lassen?« Sie befächelte ihr feuchtes, mehrfaches Kinn. (Mrs. Risk, die nicht ganz zwanzig Jahre jünger war als Ms. Dallour, trug gewohnheitsmäßig lange, schwarze, hauchdünne Kleider bei heißem Wetter, im Winter Wolle.)
    Hinter ihr wandte Harry sich mit angewidertem Gesichtsausdruck ab und tat so, als ob er Pennys in einer Schüssel auf der gläsernen Theke zurechtrückte. Rachel blinzelte ihm zu, was eine gesündere Farbe auf seine Wangen brachte.
    Mrs. Risk betrachtete die Frau. »Was Ihren Kommentar über die Gala betrifft – Velma Schrafft ist eine teure Freundin von mir und ein wertvoller Mensch. Sie ist nicht so unsicher, dass sie nicht ohne Begleiter überall hingehen kann, wohin sie möchte.«
    Ms. Dallours Wangen bekamen lila Flecken. Während sie Rauch in die Luft blies, trällerte sie: »Oooh, es wird spät, ich muss mich beeilen. Wir sollten mal miteinander zum Lunch gehen. Ich rufe Sie an.« Sie wogte hinaus wie ein bekleckertes Schlachtschiff, den Geruch ungewaschenen Fleisches in ihrem Kielwasser. Rachel schauderte.
    Der Rest der Stunde verging mit einer Diskussion zwischen Rachel und einem besiegten Harry Fitch über Gold und dessen relative Stabilität auf den Weltmärkten.
    Als sie gingen, verkündete Rachel: »Irgend jemand sollte Tante Marguerite mal in all dem Öl auf ihrem ungewaschenen Gesicht kochen.«
    »Warum, um Himmels willen, nennen die Leute diese Frau ›Tante‹? Auch wenn ich jetzt das erste Mal mit ihr zusammentraf, hab ich früher schon von ihr gehört, aber ich hab diese Anrede noch nie verstanden.«
    »Weil ihn alle Onkel Harry nennen. Ich glaube, sie ›Tante‹ zu nennen, ist sarkastisch gemeint, weil sie so gegensätzlich sind und doch miteinander verknüpft. Niemand kann sie ausstehen, aber alle lieben Onkel Harry. Er zieht wie ein Magnet Kinder an. Sie sind jeden Nachmittag im Laden und hören ihm zu, wenn er über Münzen und Briefmarken Geschichten erzählt. Daher kommt sein Spitzname – von den Kindern.«
    »Ja, ich habe gehört, dass eine ganze Reihe Lehrer und Eltern für seinen Einfluss dankbar sind.«
    Schweigend gingen sie weiter. Dann sagte Rachel: »Harry kam vor ein paar Wochen in meinen Töpferkurs bei Randy Blume. So habe ich ihn kennen gelernt.«
    »Warum lässt er sich das alles von dieser – dieser Person gefallen?«
    »Also, ich weiß nur, was ich gehört habe, wohlgemerkt. Jedes Mal, wenn er weg will, dann lässt sie diese Erbschaft vor seinem Gesicht baumeln. Sie ist über zwanzig Jahre älter als er, also hat er eine gute Chance, das Erbe tatsächlich anzutreten. Es stimmt allerdings, dass er auf der Straße lebte. Er hat es mir erzählt. Er war Vietnamveteran und konnte sich einfach nicht mehr an ein normales Leben gewöhnen, bis sie ihn in diesen Laden setzte. Briefmarken und Münzen waren vor dem Krieg sein Hobby gewesen. Er sagte, das ruhige Leben in Wyndham und seine Liebe zu diesen Briefmarken und Münzen verwandelte ihn allmählich. Er sagt, er kann nicht vergessen, was sie für ihn getan hat.«
    »Das erklärt einiges«, erwiderte Mrs. Risk nachdenklich.
    »Also, ich finde, er hat sein Erbe inzwischen verdient. Er sollte das alte Scheusal umbringen«, spuckte Rachel.
    Mrs. Risk betrachtete Rachel mit zusammengekniffenen Augen. »Wiederholt sich da Ihre Vergangenheit? Seien Sie vorsichtig,

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