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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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Labyrinth aus Räumen fände, die zu der Küche gehörten, aber sie hatte schon alles andere durchsucht. Mit einem letzten Blick hinter sich, um sicherzugehen, dass man sie nicht gesehen hatte, schlüpfte sie in einen schmalen Gang und ließ das fröhliche Durcheinander hinter sich.
    Der Gang führte über einen leicht abschüssigen Boden aus gestampftem Lehm. Niedrige Deckenbalken aus Eichenholz begrenzten ihn nach oben. Als sie sich unter einem davon duckte, streifte ein Spinnennetz ihren Nacken, und sie erschauerte. Wenn nicht die rostigen Wandleuchter aus Eisen gewesen wären, die sich in ungleichmäßigen Abständen an den rissigen, mit Wasserflecken übersäten Wänden befanden, wäre sie davon überzeugt gewesen, dass seit Jahrhunderten niemand mehr diesen Gang benutzt hatte. Die kurzen Talgkerzen spendeten mehr Schatten als Licht. Caroline hatte gar nicht bemerkt, dass der Gang eine Biegung machte, bis sie hinter sich schaute und feststellte, dass der Eingang nicht länger zu sehen war. Es gab nur Dunkelheit hinter und flackernde Schatten vor ihr.
    Etwas huschte über den Boden, scharfe kleine Krallen scharrten über die Erde. Mit einem würdelosen Aufschrei machte Caroline einen Satz nach vorne und prallte gegen eine Tür. In dem verzweifelten Versuch, einer — wie sie fürchtete — dicken, fetten Ratte zu entkommen, rüttelte sie an der Türklinke und musste feststellen, dass sie endlich gefunden hatte, wonach sie so lange gesucht hatte: eine verschlossene Tür.
    Die Ratte war vergessen, sie drückte die Klinke erneut, forschte nach einer Schwachstelle. Was, wenn sie zufällig an der Tür zur Familiengruft gelandet war? Oder zu dem voll funktionsfähigen, bestens ausgestatteten Kerker, mit dem sich Kane gebrüstet hatte?
    Sie kniete sich hin, um durch das Schlüsselloch zu spähen, als plötzlich eine Stimme so trocken wie Grabesstaub aus der Dunkelheit hinter ihr erklang. »Kann ich Ihnen behilflich sein, Miss?«
    Caroline sprang auf und wirbelte herum. Wilbury stand hinter ihr und sah so aus, als sei er selbst gerade erst der Familiengruft entstiegen. Sein Gesicht war in dem fahlen Licht so angespannt und blass wie eine Totenmaske.
    Er hatte einen Ring mit Eisenschlüsseln in der Hand, die fast alle rostig waren.
    »Guten Tag, Wilbury«, sagte sie und nötigte sich ein freundliches Lächeln ab. »Wie gut, dass Sie ausgerechnet jetzt hier erscheinen. Ich habe gerade gedacht, wie gut, wenn jetzt jemand käme, der mir diese Tür hier aufschließen könnte.«
    »In der Tat.«
    Seine wenig ergiebige Antwort ließ ihr keine andere Wahl, als nachzulegen. »Ihr ... Ihr Herr hat mich geschickt, etwas aus diesem Raum für meine Schwester zu holen.«
    »Ach ja? Und warum hat er nicht nach mir geläutet?«
    »Weil er wusste, dass ich hier vorbeikommen würde, und er Sie nicht belästigen wollte.« Der Butler hob nur eine schneeweiße Augenbraue. Caroline beugte sich vor und flüsterte: »Es wäre besser, Sie würden Ihrem Herrn helfen, meiner Schwester zu Gefallen zu sein, wissen Sie. Es ist gut möglich, dass sie eines Tages die Herrin dieser Burg wird.«
    Etwas Unverständliches murmelnd, das sich verdächtig wie »Papperlapapp« anhörte, begann Wilbury seine Schlüssel zu sortieren. Schließlich gelang es ihm, den richtigen zu finden, und er steckte ihn ins Schlüsselloch. Caroline nahm sich eine Kerze aus einem Wandhalter; ihr Atem beschleunigte sich.
    Wilbury öffnete die Tür, und seine Knochen schienen genauso laut zu knarren wie die uralten Türangeln. Sich überdeutlich bewusst, dass der Butler hinter ihr stand, trat Caroline langsam ein und hielt die Kerze hoch. Statt mit Ketten und Handschellen, in denen noch die vermoderten Überreste von naiven Jungfrauen hingen, war die bescheidene Kammer mit schlichten Holzregalen ausgestattet, auf deren Brettern unzählige Gläser, Flaschen und Stoffsäckchen standen. Die Namen auf den sorgfältig beschrifteten Schildern lauteten aber nicht »Molchauge« oder »Wolfsblume«, sondern »Muskatnuss«, »Ingwer« und »Thymian«.
    Wie es aussah, war sie auf nichts Belastenderes als einen Gewürzkeller gestoßen.
    »Bei uns gelten die alten Regeln noch«, unterrichtete Wilbury sie. »Im Mittelalter war es üblich, dass der Burgverwalter die kostbaren und teuren Gewürze unter Verschluss hielt.«
    Und das war ja erst drei- oder vierhundert Jahre her. Wilbury war damals vermutlich ein Kind gewesen, dachte Caroline ungnädig.
    »Ach, hier ist es ja!« Darauf bedacht, sich

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