Wenn die Nacht dich kuesst...
Dunkelheit näher zu treten, ihn im Schlaf zu beobachten und sich einen selbstsüchtigen Augenblick vorzustellen, dass er von ihr träumte.
Eine Berührung.
Das war alles, was sie sich gestatten würde. Dann würde sie so leise wieder fortschleichen, wie sie gekommen war, und ihn seinen Träumen überlassen. Sie würde zu ihrem Zimmer zurückkehren und all ihre Kraft zusammennehmen, sodass sie ihn, wenn er an ihre Tür klopfte und um die Erlaubnis bat, um Viviennes Hand anzuhalten, als den Bruder begrüßen konnte, der er bald schon werden würde.
Caroline streckte ihre Hand aus, wobei sie sich völlig im Klaren darüber war, dass dies kein Gemälde war, sondern Fleisch und Blut, sengende Hitze, Kraft und Leben.
In der einen Sekunde streiften ihre Fingerspitzen die golden schimmernde Haut auf seinem Rücken, in der nächsten lag sie flach auf dem Rücken auf der Federmatratze, ihre beiden Handgelenke über ihrem Kopf von einer seiner Hände unnachgiebig gehalten, seine andere Hand um ihre Kehle geschlossen.
Sie schaute verwirrt zu ihm auf, gebannt von dem wilden Glitzern in seinen Augen. Jeder Atemzug war ein Kampf, aber sie konnte nicht sagen, ob das daran lag, dass sie von seinem Gewicht aufs Bett gedrückt wurde, oder daran, dass sie mit jedem Luftholen den köstlichen Duft seines vom Schlaf warmen Körpers einatmete. In das normale Sandelholz- und Lorbeeraroma mischte sich ein neues, kräftiges Gewürz — Gefahr.
Langsam zeichnete sich Erkennen in seinen halb geschlossenen Augen ab, gefolgt von Argwohn. Sein Griff um ihre Handgelenke und ihre Kehle lockerte sich, aber er machte keine Anstalten, sie loszulassen.
Sie war sich auch nicht sicher, ob sie hätte fliehen können, wenn er das getan hätte. Eine lähmende Mattigkeit schien ihre Glieder umfangen zu haben, verlangsamte die Zeit zu einem Walzer im Takt ihrer Herzschläge. Sie war sich seines Gewichtes überdeutlich bewusst, seiner Hitze, seiner langen, muskulösen Glieder, die sie in die Matratze pressten. Selbst in ihrer Unschuld erkannte Caroline, dass die Hand an ihrer Kehle mitnichten die größte Bedrohung für sie darstellte.
»Nicht«, flüsterte sie und sah, wie sein Blick an ihren Lippen hing. Sie konnte nicht sprechen, konnte nicht denken, konnte keinen einzigen Atemzug machen, der nicht mit dem heißen Moschusduft seines Verlangens erfüllt war. »Bitte nicht ...«
Selbst während sie die Worte hervorpresste, wusste sie, es war zu spät. Wusste, es war zu spät vom ersten Moment an, als ihre Blicke sich trafen, als ihre Lippen sich berührten.
Seine Hand glitt von ihrem Hals zu ihrer Wange. Er schaute ihr in die Augen. Seinen Daumen ließ er spielerisch über ihre Lippen gleiten, erkundete die nachgiebigen Umrisse mit einer Zärtlichkeit, die sie zu überwältigen drohte.
Dann war sein Kopf da und sperrte den Rest des Kerzenlichtes aus, als er ihn zu ihr herabsenkte. Seine Lippen bewegten sich auf ihren, zwangen sie behutsam auseinander, sodass sie der rauchigen Hitze seiner Zunge hilflos ausgeliefert war. Er plünderte ihren Mund, forderte ihn für sich — genauso wie ihr Herz. Er benutzte seine Zunge, um sie zu umwerben, sie zu überreden, wortlose Versprechen zu machen, die er nie hoffen konnte zu halten.
Caroline hätte nicht sagen können, wie ihre Hände freikamen. Sie wusste nur, dass sie plötzlich in seinem Haar waren, sich um seinen Nacken legten und ihn noch tiefer in den Kuss und an ihren Körper zogen.
Zu spät erkannte sie, dass nun auch seine Hand frei war. Frei, durch ihr seidiges Haar zu streichen, bis es aus den Nadeln und über seine Finger glitt. Frei, über ihre zarte Haut zu der empfindsamen Kuhle an ihrem Halsansatz zu wandern. Frei, ihren sanft schwellenden Busen durch den dünnen Batist ihres Kleides zu liebkosen. Sie war nicht auf den Schock des Gefühls vorbereitet, den seine warmen Finger auf ihrer bloßen Haut auslösten, als er sie in ihren Ausschnitt und unter das Korsett schob. Seine Hand schloss sich um ihre Brust; er rieb mit großer Zärtlichkeit seinen Daumen über die sich verhärtende Spitze und sandte winzige Schockwellen tief in ihren Leib. Obwohl sie es war, die vor Entzücken schier verging, stöhnte auch er, als litte er Schmerzen.
Acht Jahre lang hatte sie sich jedes Vergnügen versagt. Jetzt hatte sie das Gefühl, als ertränke sie darin, als sänke sie mit jedem Seufzer, jedem Kuss, jedem geschickten Streicheln tiefer in seine samtige Umarmung. Als seine Hand weiter abwärts glitt,
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