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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, nahm sie das nächstbeste Fläschchen aus dem Regal und steckte es sich in die Rocktasche. »Ich bin sicher, es ist genau das, was dem Tee meiner Schwester noch fehlt.«
    Als Caroline an ihm vorbeiging, sagte Wilbury: »Sie wollen vielleicht auch noch etwas Zucker mitnehmen, Miss.«
    Caroline drehte sich um und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Und warum?«
    Er deutete mit dem Kinn auf ihre Tasche. »Um den Geschmack des Laudanums zu überdecken.«
    Caroline saß mit angezogenen Knien auf dem Bett und schaute zu, wie die rote Sonne im Westen unterging. Ihr letzter Tag vor dem Ball würde bald vorüber sein, und ihre Durchsuchung von Trevelyan Castle hatte am Ende mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Trotz ihres kühnen Vorhabens war sie dem Ziel, die Wahrheit über Adrian Kane herauszufinden, nicht näher als in der ersten Nacht, als sie ihn kennen gelernt hatte.
    »Adrian«, flüsterte sie und überlegte, wie es wäre, das Recht zu haben, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen. »Hättest du gerne mehr Blutpudding, Adrian? Sollen wir für deinen Geburtstag dieses Jahr ein Mitternachtssouper planen, Adrian? Wie soll unser erster Sohn heißen, Adrian?«
    Der Gedanke an den Viscount versetzte Caroline einen Stich. Das Gefühl von Einsamkeit überwältigte sie fast. Caroline legte ihre Wange auf ihr Knie und beobachtete, wie die Schatten der Dämmerung auf ihre Balkontüren zukrochen. Vielleicht würde sie das Schicksal heute Nacht herausfordern und sie unverriegelt lassen.
    Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie hob den Kopf, und ihr Blick wurde schärfer. Ihr fielen wieder ein heimlicher Schritt, ein Schatten vor dem nächtlichen Himmel und Nebelschwaden im Mondlicht ein. Sie stieg vom Bett und glitt zu den Türen, als befände sie sich in einer Art Trance.
    Als er in ihrer ersten Nacht auf der Burg vor ihrer Balkontür erschienen war, hatte Kane behauptet, nicht schlafen zu können. Dass er sein Bett verschmäht hatte und stattdessen auf einen Spaziergang und eine Zigarre nach draußen gegangen sei. Dann war er so plötzlich verschwunden, wie er gekommen war.
    Caroline riss die Türen auf und trat auf den Balkon. Die kühle Abendluft strich liebkosend über ihre bloßen Arme unter den kurzen Puffärmeln ihres Batistkleides und verursachte ihr eine Gänsehaut. Während ihrer ganzen vergeblichen Suche heute Nachmittag war es ihr nicht einmal eingefallen, einfach den Weg nachzugehen, den er angeblich gekommen war.
    Sie blickte zum Horizont. Sie hatte nicht viel Zeit zu verlieren. Die tief stehende Sonne verlor schon von ihrer Kraft, sie malte den Bäuchen der aufziehenden Wolken goldene Ränder.
    Caroline ging an der Festungsmauer der Burg entlang, dicht an die Turmmauer gedrückt, damit niemand sie von unten entdecken konnte. Sie konnte nur hoffen, dass Portia Vivienne immer noch Gesellschaft leistete.
    Auf der anderen Seite des Turmes, die schon im Dämmerlicht lag, fand sie schließlich, wonach sie Ausschau gehalten hatte — eine kurze steinerne Wendeltreppe. Sie ging die Stufen hinunter, die an einem schmalen Steinsteg mit Geländer endeten, der den Abgrund zwischen Nord- und Südturm überspannte. Während sie eilig über diese Brücke schritt, kam Wind auf und zerrte an ihren dünnen Röcken, sodass sie es bereute, ihren Umhang zurückgelassen zu haben.
    In der Nacht, in der sie angekommen war, hatte Wilbury ihr mitgeteilt, dass sein Herr sehr genau mit seinen Anweisungen gewesen war: Miss Caroline Cabot wird im Nordturm untergebracht. Als Caroline die andere Seite des Steges erreichte und die Stufen zum Südturm hinaufstieg, versuchte sie, nicht daran zu denken, was diese Worte des Butlers wohl bedeuten mochten. Versuchte nicht daran zu denken, wie leicht es für die Bewohner der beiden Türme wäre, sich einer heißen Affäre hinzugeben, ohne dass jemand in der Burg davon erfuhr. Wahrscheinlich hatte Kanes Wunsch einen völlig unschuldigen Grund. Sie hatte heute ja selbst gesehen, wie es bei den Dienstboten zuging. Vielleicht war zum Zeitpunkt ihrer Ankunft der Nordturm einfach einer von nur wenigen für Gäste vorbereiteten Räumen gewesen.
    Bald schon stand sie vor einem Paar französischer Fenster, beinahe identisch mit ihren eigenen. Sie beschattete ihre Augen mit beiden Händen und beugte sich bis dicht an die Scheibe vor, um in das Zimmer zu spähen. Aber schwere Vorhänge versperrten ihr die Sicht. Sie schaute über ihre Schulter. Obwohl die Sonne noch

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