Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)
Person. »Na ja, es ist so… wir Katzen sind nun mal nicht nur Katzen. Wir sind die Wächter der Träume. Auch wenn wir drüben, in der Traumwelt, natürlich keine Katzen sind. Du hast ja meine wahre Gestalt gesehen.« Er verzog unglücklich den Mund. »Unsere Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass träumende Menschen sich nicht zu weit in ihre Träume hinein verirren, weil sie sonst nicht mehr aufwachen können. Aber ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte auf Jari aufpassen sollen und… habe es nicht getan. Und jetzt hat meine Göttin mich ausgesperrt. Bis Jari wieder da ist, muss ich ein Mensch sein. Zur Strafe.« Die letzten Worte kamen nur noch leise und kläglich heraus, wie ein schwaches Maunzen.
Nele starrte ihn nur weiter ungläubig an. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Am liebsten hätte sie Seth am Kragen gepackt, ihn geschüttelt und ihn angeschrien. Jari war fort, und es war seine Schuld! Aber so wie er da saß, ein einziges Häuflein Elend, schmutzig und zerkratzt, konnte sie nicht anders, als zumindest etwas Mitleid für ihn zu empfinden. Er war jetzt kein mystisches Traumwesen mehr, sondern nur noch ein Mensch, der blutete und Schmerzen hatte. Es musste hart für ihn sein.
»Könnt ihr ihn denn nicht zurückholen?«, fragte sie schließlich leise. »Du oder wenigstens deine Göttin– ihr müsst doch irgendetwas tun können!«
Seth seufzte. Sein Gesicht verdunkelte sich dabei noch etwas mehr. »Das ist leider nicht so einfach«, sagte er mit eigenartig dumpfer Stimme. »Dazu müssten wir ihn erst einmal finden. Und so, wie die Traumkammern der Menschen aufgebaut sind, ist das wie die Suche nach einem einzelnen Floh im Fell. Aber du, du bist eine Klarträumerin, Nele. Du bist etwas Besonderes! Und deswegen dachte ich…« Er hob den Kopf und sah Nele geradezu flehend an. »Ich dachte, wir könnten einander helfen. Zusammen finden wir ihn bestimmt!«
Es dauerte eine ganze Weile, bis Nele wieder sprechen konnte. Mehrmals öffnete sie den Mund und schloss ihn wieder, ehe sie die richtigen Worte für das fand, was in ihrem Inneren brodelte.
»Verstehe ich das also richtig«, brachte sie endlich heraus, »dass ich jetzt wieder geradebiegen soll, was du verbockt hast? Na vielen Dank auch!«
Seth verzog den Mund. »Na ja– du bekommst dafür deinen Freund zurück.« In seinen Augen blitzte etwas auf. »Ist das etwa nichts?«
Nele schnappte nach Luft. Das meinte er doch wohl nicht ernst! »Ohne dich wäre er gar nicht erst verschwunden!«, stieß sie wütend hervor.
Seths Gesicht verzog sich störrisch. »Na und? Wenn du mich nicht so abgelenkt hättest, wäre er auch noch da!«
Darauf wusste Nele einfach nichts mehr zu sagen. Sekundenlang starrten die beiden sich an, ohne dass einer von ihnen auch nur geblinzelt hätte.
Schließlich aber schüttelte Nele seufzend den Kopf. »Ich verstehe das alles immer noch nicht. Erklär’s mir, okay? Und ich hoffe, du hast einen guten Plan.«
Seth stieß erleichtert den Atem aus– und nun kehrte sogar das schelmische Lächeln auf sein Gesicht zurück. »Den habe ich tatsächlich.«
In diesem Augenblick knackte unten im Flur ein Schlüssel im Schloss.
»Huhu! Ich bin wieder zu Hause!«
Nele sprang auf wie von der Tarantel gestochen. Oh nein! Ihre Mutter! An Mommi hatte sie schon gar nicht mehr gedacht. Aber natürlich musste sie irgendwann nach Hause kommen, Nele hatte Seth ja sogar noch davor gewarnt. Und dann war sie auch noch so pünktlich! Nele sollte besser sofort zu ihr gehen, oder Mommi würde hier oben nach ihr sehen. Und das ging gerade jetzt auf keinen Fall!
Nele drehte sich zu Seth um, der halb erschrocken, halb belustigt über ihre hektische Reaktion wirkte. »Bleib hier!«, sagte sie hastig. »Du bewegst dich nicht ein Stück von der Stelle, klar? Und sei leise, sie darf dich nicht bemerken. Ich komme wieder, so schnell ich kann.«
Ein kleines Grinsen zuckte um Seths Mundwinkel. »Klar«, sagte er nur. Aber Nele hatte das Gefühl, dass in dem Wort noch eine versteckte Bedeutung mitschwang, die sie auf die Schnelle nicht entschlüsseln konnte.
Unwillig schüttelte sie den Kopf. Sie hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Jetzt musste sie sich erst mal um ihre Mutter kümmern, denn die durfte um nichts in der Welt Wind davon bekommen, dass Seth hier war.
Mit ein paar Schritten war sie aus dem Zimmer und polterte die Treppe hinunter, so schnell sie konnte. »Hey, Moms!«
Ihre Mutter, die gerade ihre Stiefel von den
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