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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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nichts. Nur Regen, der ihm in die Augen fiel und über seine Wangen rann. Eisige Kälte breitete sich gemeinsam mit dem Begreifen in seiner Brust aus, und sein Herzschlag hallte dumpf dröhnend von den Häuserwänden wider.
    Er war keineswegs zurück, war nicht wirklich aufgewacht. Er war nicht in der Realität.
    Aber wo war er dann?
    Bin ich etwa immer noch … in mir selbst?
    Jari hob die rechte Hand vor sein Gesicht und starrte auf seinen Zeigefinger. Auf die feine Spur getrockneten Blutes neben dem Nagel. Er erinnerte sich jetzt wieder. Er hatte geträumt, ihn sich eingerissen zu haben, während er über den Berg aus Teddys zur rettenden Luke hinaufkletterte– wirklich nur geträumt? Warum war die Wunde dann noch da? Oder träumte er vielleicht immer noch?
    Jari schloss die andere Hand um den Finger, spürte die Kuppe mit leisem Brennen an der Haut seiner Handinnenfläche pulsieren. So real… man konnte doch keinen Schmerz träumen. Oder? Konnte man überhaupt wissen, dass man träumte, während man noch im Traum war? Jari hatte einmal gehört, dass so etwas möglich sein sollte, aber selbst hatte er es noch nie erlebt. Dennoch stand außer Frage, dass dies hier nicht die Wirklichkeit sein konnte. Der Gedanke tröpfelte in die Leere in seinem Inneren, als würde der kalte schwarzweiße Regen einfach durch seine Haut hindurchfallen. Aber zu seiner eigenen Überraschung empfand er nichts dabei. Nicht einmal mehr Angst. Dies war nicht echt. Nichts davon. Die Erkenntnis fühlte sich fast zu vernünftig an für diese verdrehte Umgebung. Aber sollte er sich gerade deshalb nicht viel mehr Sorgen darum machen, wie er hier wieder herauskam– wo doch offensichtlich nicht einmal Aufwachen im eigenen Bett half? Auch die Luke im Glasraum war nicht der Ausgang gewesen, so viel war nun wohl sicher. Er musste einen anderen finden. Nur wo sollte er danach suchen?
    Ein Gedanke streifte ihn, flatterhaft wie der Flügelschlag eines Nachtfalters. Eine Antwort auf seine Frage? Vielleicht– und doch war sie viel zu flüchtig, um sie zu fassen zu bekommen, ehe sie bereits aus Jaris Reichweite floh. Wie schon oben im Flur vor der Küche hatte er plötzlich das nagende Gefühl, sich an etwas erinnern zu müssen, ohne es zu können. An eine Vereinbarung, die er getroffen hatte, eine Verabredung, die er einhalten musste. Irgendwo da draußen. Dort musste er hin.
    Langsam näherte sich Jari dem Ausgang des Hofes, vor dem der Regen wie ein grauer Schleier hing. Ein Teil von ihm wusste bereits, dass er dort nicht die Straße vorfinden würde, an der auf der anderen Seite seine Schule lag, während ein optimistischerer Teil von ihm zu gern genau das glauben wollte. Aber es war im Grunde auch nicht wichtig. Hierzubleiben, würde ihm nichts nützen. Was auch immer ihn jenseits des Durchgangs erwartete– Jari wollte nicht hier stehen und warten, bis etwas geschah. Oder bis ihn dort draußen alle vergessen hatten.
    Und in diesem Augenblick fiel es ihm wieder ein.
    Nele.
    Er hatte sich mit Nele verabredet! Sie hatte ihm von ihren Träumen erzählt. Sie hatten sich auf der Brücke geküsst. Und nun wartete sie auf ihn, vor der Schule unter der Linde. Er musste dorthin. Er musste diese Verabredung einhalten, die der einzige feste Anhaltspunkt war, den er jetzt noch hatte. Vielleicht konnte Nele ihm helfen– vorausgesetzt, sie wartete immer noch dort. Und vorausgesetzt natürlich, er konnte sie auch von hier aus irgendwie erreichen. Da war Jari sich zwar keineswegs sicher. Aber er musste es zumindest versuchen. Sie war jetzt seine einzige Hoffnung. Also machte er sich auf den Weg.
    Jenseits des Durchgangs, der aus dem Hof führte, lag, genau wie er bereits vermutet hatte, keinesfalls die Straße, in der er sein Leben lang gewohnt hatte. Vor Jari erstreckte sich eine weite Ebene, auf der kniehohe Grashalme sich in einem Wind wiegten, den er auf seiner Haut nicht spüren konnte. Das stechende Schwarzweiß des verregneten Hinterhofs wich hier blassen Tönen, seltsam gräulich, als hätte jemand eine alte Fotografie mit schmutzigen, verwässerten Farben retuschiert. Der Himmel war von einem ungleichmäßigen Anthrazitgrau, durchzogen von wolkenähnlichen Schlieren, die waberten und sich zu schemenhaften Bildern verformten, ohne dass Jari eindeutige Gestalten hätte ausmachen können. Soweit er sehen konnte, war die Ebene bis auf Wind und Gras verlassen. Nur am Horizont reckte sich ein riesiger, kahler Baum in den Himmel, nicht mehr als eine

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