Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
abwechselnd zwischen Aufregung, weil sie ihm helfen durfte, den Internet-Sexualtäter zu schnappen, und irrsinniger Wut über die Art, wie er an sie herangetreten war, geschwankt. Was sie allerdings am meisten aufregte, war die Tatsache, dass sie ihn damit hatte durchkommen lassen. Kaum hatte er ihr erzählt, weshalb er mit ihr reden wollte, vergaß sie alles andere und dachte nur noch daran, dass sie ihm helfen musste, so gut sie konnte. Nebenher hoffte sie, ihm zeigen zu können, dass sie keine schwache kleine Maus war, die er sich einfach über die Schulter warf, wann immer ihm der Sinn danach stand.
Sie leugnete nicht, dass ein Teil von ihr geradezu begeistert war, weil Noah tatsächlich glaubte, sie könnte helfen. Von ihren fünf Brüdern, ihrem übertrieben beschützenden Vater und zahlreichen sonstigen besorgten Verwandten war Samara stets wie ein zerbrechliches Geschöpf behandelt worden, das man schützen und umhegen musste. Noah hingegen behandelte sie wie eine intelligente Frau, die es ohne Weiteres mit einem Verbrecher aufnehmen und dabei gewinnen konnte. Ja, sie wusste sehr wohl, dass ihre Größe und ihr jugendliches Aussehen der Hauptgrund waren, weshalb er gerade sie um Hilfe bat. Was die Bitte selbst jedoch nicht herabminderte.
Während sie halb kniend ihre Badewanne schrubbte, überlegte sie, wie es sich anfühlen würde, wenn er bei ihr wohnte. Ihr Vater und ihre Brüder würden ihm den Kopf abschlagen, weil er sie in seine Pläne einspannte. Sollten sie erfahren, dass er bei ihr lebte, während sie einen Sexualstraftäter aufspürten, dürfte er gewiss noch andere Teile als seinen Kopf einbüßen.
Das Quietschen des Papiertuchs auf dem Spiegel beruhigte sie, als sie ein paar Minuten später feststellte, dass sie sich bis heute zu ihm hingezogen fühlte. Sie war zu ehrlich zu sich selbst, als dass sie ihre Gefühle verleugnen würde, und sich überdies der Tatsache allzu bewusst, dass Noah sie kaum als Frau wahrnahm, geschweige denn als attraktive Frau. Abgesehen von dem kurzen, leidenschaft lichen Kuss in Paris, schien er sie schlicht als Mittel zum Zweck zu betrachten.
Sie richtete ihm das Gästebett, inhalierte den Duft der frisch gewaschenen Bettwäsche und dachte über Noah McCall nach. Eden und Jordan hatten eine sehr hohe Meinung von ihm. Das wusste Samara, weil Eden min destens einmal die Woche anrief, um mit ihr zu plaudern. Obwohl sie Noah selten erwähnte, tat sie es wenn, dann ausschließlich voller Zuneigung und Hochachtung.
Das vertraute Jaulen des Staubsaugers schien weit weg, als Samara die bereits lupenreinen Böden saugte. War es irgendwie schräg, mit der Frau befreundet zu sein, die den Mann geheiratet hatte, mit dem sie selbst verlobt gewesen war? Normalerweise neigte Samara nicht zur Eifersucht, trotzdem wäre es wohl nachvollziehbar, wenn sie neidisch auf Eden wäre. Was nicht der Fall war. Jordan hatte jahrelang nach Eden gesucht, und dass er sie tatsächlich fand, obwohl niemand mehr daran geglaubt hatte, rührte Samara eher, als dass es sie verletzte.
Zudem liebte sie Jordan nicht so sehr, wie sie sich eingeredet hatte. Keine Frau gab kampflos einen Mann auf, den sie wirklich liebte. Und erst recht fungierte sie nicht als Brautjungfer bei dessen Trauung.
Was nicht hieß, dass seine Zurückweisung sie überhaupt nicht geschmerzt hätte. Folglich war ihre Entscheidung klug, von Virginia nach Alabama zu ziehen, egal wie sehr ihre Familie dagegen gewesen war. Nach dem Ende ihrer Beziehung hatten sie tun wollen, was sie stets mit dem Küken getan hatten: Samara schützen und umsorgen. Doch bei aller Liebe, die sie für ihre Familie empfand, hatte deren erdrückendes Mitgefühl alles nur noch schlimmer gemacht.
Rachel Enders, ihre alte Schulfreundin, war gleich nach dem College nach Birmingham gezogen. Und als Rachel sie zum x-ten Mal fragte, weshalb Samara es nicht mal dort probierte, hatte sie zugesagt.
In einer neuen Stadt von vorn anzufangen, ohne Job, war gleichermaßen beängstigend wie spannend. Samara hatte genug Ersparnisse, um einen guten Monat ohne Arbeit überbrücken zu können, aber wenn diese Sache mit Noah vorbei war, musste sie sich ernsthaft nach einem Job umsehen.
Sozialarbeiterin zu sein war nicht nur eine fordernde, enorm befriedigende Tätigkeit, Samara wusste auch, dass sie ziemlich gut darin war. Ihre Zeugnisse waren exzellent, und sie hatte bereits ihre Fühler in der Stadt ausgestreckt. Es würde wohl kaum ein Problem für sie sein, etwas zu
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