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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Autoren: Marita R. Naumann
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den ich gut gebrauchen konnte, denn in der Nacht war es empfindlich kalt geworden.
    Ich lag der Länge nach ausgestreckt auf der Rückbank des Wagens und bekam bei jeder roten Ampel Herzrasen und Panikattacken. Nie zuvor war mir München so winzig vorgekommen, und ich war geradezu klaustrophobisch. Ich bemühte mich auch, David dazu zu bringen, auf dem Boden zu sitzen, damit ihn niemand sehen konnte.
    Ich wurde in einer ziemlich tristen Gegend abgesetzt, in der sich ein hoher Wohnblock an den anderen reihte.
    Nach einigem Suchen fand ich die Adresse, die auf dem zerknüllten Zettel aus Mamas Büro stand. Ich öffnete die knarrende Tür und betrat ein Treppenhaus, das nach Öl und Farbe stank. Die Wände waren voller Gekritzel und Namen, die in den spröden, grauen Beton eingeritzt waren. Ich nahm den Aufzug in die Etage, in der sich die geheime Wohnung der Frauenberatungsstelle befand, und wurde von einer freundlich lächelnden jungen Frau in Empfang genommen. Sie umarmte mich vorsichtig und begrüßte ebenso umsichtig David, der sich mit großen Augen umsah. Wir gingen durch einen langen Flur mit zahlreichen verschlossenen Türen und setzten uns dann in ein Büro, in dem mir Kaffee und Vanilleplätzchen angeboten wurden.
    Wir redeten lange miteinander, und sie erzählte mir, dass sie vor ein paar Jahren ein ähnliches Gespräch mit einer jungen Frau geführt habe. Sie war entsetzt über die plötzlich ausbrechende Brutalität ihres Freundes gewesen, der ihr Haustier getötet hatte. Es war ein beruhigendes Gefühl, mit jemand zu sprechen, der mich verstand und davon überzeugte, dass ich mit meinem Schicksal nicht allein war. Schließlich kam sie zu der Erkenntnis, dass es zu gefährlich für mich sei, mich in einem dieser Vororte aufzuhalten. Hier konnte ich also nicht bleiben. Es dauerte ein paar Stunden, bis sie einen Bereitschaftsdienst aktiviert und eine passende Wohnung für mich und David gefunden hatte. Es musste sich um eine entlegene Gegend handeln, in der Mati vermutlich keine Geschäftspartner hatte.
    Ich wusste nur zu gut, dass Mati inzwischen eine Reihe von Leuten über mein Verschwinden informiert hatte, Leute, die jetzt nach mir suchten wie hungrige Bluthunde.
    Schließlich landete ich in Moosach. Aus dem grauen Himmel fiel ein leichter Sprühregen, als wir dort eintrafen. Bei unangenehmer Kälte trotteten wir über den Kies dem Gebäude entgegen, das in der nächsten Zeit unser Zuhause sein sollte. In dem Haus wurden wir von einer Frau namens Ilka begrüßt, die rosafarbene Haare und kunterbunte Kleidung trug. Sie war ein warmherziger, mütterlicher Typ mit einer beruhigenden Stimme, die zugleich eine ungeheure Lebensfreude ausstrahlte. Ihr hatten wir es zu verdanken, dass wir uns sofort willkommen fühlten.
    Das Haus war groß und geräumig. Eine lange Treppe führte hinauf in den ersten Stock, in dem sich zur Linken eine gemütliche Küche mit Esszimmer und dahinter ein großer, weiß gestrichener Aufenthaltsraum mit angrenzendem Balkon befanden. An der einen Wand des Aufenthaltsraums standen blaue Plastikkästen mit gebrauchtem Kinderspielzeug: Puppen, denen ein Arm oder Bein fehlte, Spielzeugautos mit nur drei Rädern. Doch was machte das schon - dies war der erste Tag unseres neuen Lebens. David setzte sich auf den Boden und schien die Spielsachen gar nicht wieder loslassen zu wollen, während llka mir unser Zimmer zeigte. Es war nicht besonders groß, hatte zwei Betten und eine kleine Kommode aus Kiefernholz. Auf dem Nachttisch stand eine kleine Vase mit einer großen blutroten Rose.
    „Die ist für dich“, sagte Ilka mit sanfter Stimme. „Denn du hast doch heute Geburtstag, oder? Das haben sie mir jedenfalls in der Zentrale gesagt. Ich habe sie hier im Garten gepflückt.“
    Ich hätte diese Rose zwischen zwei Buchdeckeln pressen und aufheben sollen als Beweis dafür, mit wie wenig man einen Menschen glücklich machen kann.
    Ilka erzählte mir, dass im Moment eine Menge Zimmer leer stünden, was sich aber schlagartig ändern könne. Ich legte meine restlichen Lebensmittel in den Kühlschrank und machte mir an diesem Abend weder die Mühe, mein Gesicht zu waschen, noch die Kleider auszuziehen, sondern legte mich einfach aufs Bett und schlief sofort ein.
    Es ist schwer zu beschreiben, wie das Zusammenleben mit Frauen ist, die eine andere Hautfarbe und Religion haben und nicht dieselbe Sprache sprechen wie man selbst, sondern deren einzige Gemeinsamkeit mit einem darin besteht, ebenfalls vor
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