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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita R. Naumann
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alle Jungs mit anderthalb Jahren wollte er viel herumtollen, doch andererseits war er auch ein auffallend ruhiger Junge. Er kam mir so vor, als hätte man einen jungen Mann in den Körper eines kleinen Jungen gesteckt. Er schien meine Angst, aber auch meine Liebe zu verstehen. Nachts hatte er sich angewöhnt, tief und fest zu schlafen, um den Lärm, die Schreie und mein Heulen nicht mit anhören zu müssen. Auch jetzt beklagte er sich nicht. Allerdings wurden wir allmählich hungrig, weil ich in all der Aufregung vollkommen vergessen hatte, ihn zu füttern und auch selbst etwas zu essen. Da ich kein Geld hatte, konnte ich mir in der Pension nichts zu essen besorgen. Sämtliches Bargeld war für das Taxi und die Zimmerrechnung draufgegangen.
    Mama hatte mir ihr Zweithandy überlassen, damit sie mich anrufen und Bericht erstatten konnten. Wir waren übereingekommen, das sie mir etwas zu essen, feuchte Tücher, eine Zahnbürste und frische Kleider für David bringen würde, sofern es ihr gelänge, sich unbemerkt von der Kirche oder von zu Hause fortzuschleichen. In ihrer Wohnung gab es bestimmt noch ein paar alte Sachen von David. Da würde es schon schwieriger sein, etwas Neues zum Anziehen für mich aufzutreiben.
    Um Viertel vor zwei war vor der Kirche ein wütendes Gebrüll zu hören:
    „Macht die Tür auf, ihr Schweine! Wo ist sie? Sie sollte um Punkt eins zu Hause sein!“ Er ließ noch eine Reihe von Schimpfwörtern und Beleidigungen folgen, schlug gegen die Scheibe und versuchte die Tür einzutreten.

    Mama und Gabriel waren klug genug, nicht aus dem Fenster zu schauen, sondern sich im Büro zu verschanzen, während Mati draußen Amok lief. Nachdem er wieder verschwunden war, nahmen sie sich ein Herz, löschten das Licht, eilten zu ihrem hellgrauen Opel, legten einen Schnellstart hin und rasten nach Hause.
    David und ich waren für Mati außer Reichweite, und es war ein Riesenglück, dass Melanie und Hannes an diesem Tag nicht nach Hause gegangen waren. Mati schäumte vor Wut, er war vollkommen außer sich. Er suchte alle Plätze ab, an denen er mich vermutete. Alle zehn Minuten rief er meine Mutter an, schrie und drohte, sie zu töten, spielte in einem Moment den Reumütigen, um im nächsten Augenblick wieder eiskalt, höhnisch und arrogant zu sein.
    Noch heute kann ich nicht verstehen, wie Mama an diesem Nachmittag den Mut aufbrachte, ganz allein die Wohnung zu verlassen und einen zwei Stunden langen Umweg in Kauf zu nehmen, um gegen Abend mit einer Kiste voller Lebensmittel und ein paar Hosen, die sie zu Hause gefunden hatte, zu mir in die Pension zu kommen. Sie muss einen Schutzengel gehabt haben und kam unmittelbar vor Mati wieder nach Hause, dem sie praktisch die Tür vor der Nase zuschlug.
    Daraufhin stand er vierundzwanzig Stunden lang vor ihrer Haustür, wählte ununterbrochen ihre Telefonnummer, trat gegen die Tür und schrie, was für eine dreckige Hure ihre Tochter sei und was er mir antun würde, wenn er mich in die Finger bekäme. Dass meine Eltern in dieser Nacht nicht die Polizei anriefen, lag einzig und allein daran, dass ich sie darum gebeten hatte, es nicht zu tun. Ich wusste schließlich, dass ich zwar in relativer Sicherheit war, jedoch nicht meine Eltern. Und in den Kreisen, in denen sich Mati bewegte, schaltete man nicht die Polizei ein.

    Selbst wenn Mati festgenommen würde, gab es immer noch eine Heerschar russischer, polnischer oder asiatischer Auftragsmörder, die, sofern sie mich nicht fanden, Rache an den Menschen nehmen würden, die mir am nächsten standen.
    Ich wollte, dass sich meine Familienangehörigen und Freunde weiter unbefangen und arglos bewegen konn ten, ohne fürchten zu müssen, meinetwegen getötet zu werden. Und ich wünschte mir inständig, dass auch David in Sicherheit leben könnte. Für mich selbst wünschte ich mir nichts sehnlicher, als einfach in Ruhe gelassen zu werden, nachts durchschlafen zu dürfen, statt ständigen Verhören unterzogen zu werden, nicht auf die kleinste Stimmungsschwankung eines anderen Menschen achten zu müssen und keine Magenschmerzen mehr zu haben, aus der ständigen Angst und Unsicherheit heraus, wann wohl der nächste Ausbruch käme.
    Natürlich kann man jetzt kopfschüttelnd einwenden, dass die Polizei doch dazu da sei, Menschen in meiner Situation zu helfen. Aber könnte mir dann bitte mal jemand erklären, warum es so viele Menschen in ganz Deutschland gibt, die aus Angst um ihr Leben eine Zeugenaussage verweigern und lieber Augen

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