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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Autoren: Marita R. Naumann
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sie die U-Bahn-Linie und das Auto, fuhren verkehrt herum durch Einbahnstraßen, drehten Extrarunden in Verkehrskreiseln, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Doch es war offenbar alles gutgegangen, und ich war überglücklich, sie zu sehen.
    Die nächsten Tage ballen sich in der Erinnerung zusammen. David klebte förmlich an mir und ließ mich nicht aus den Augen. Ich durfte ihn nie allein lassen, selbst dann nicht, wenn ich auf die Toilette ging. Ständig hing er an meinem Hals und wollte umarmt werden. Immerzu musste ich ihm sagen, wie lieb ich ihn habe. Doch dann bekam ich Fieber und Schmerzen in Bauch und Rücken.
    llka besorgte mir einen Termin beim Arzt, der feststellte, dass ich eine Harninfektion hatte, die sich, wie schon beim letzten Mal, in die Nieren ausgebreitet hatte. Ich bekam Antibiotika verschrieben, sollte Vitamintabletten nehmen und mich nach Möglichkeit schonen.
    Mehrmals sprach ich mit Mitarbeitern der Frauenberatungsstelle, um herauszubekommen, wie es jetzt weitergehen sollte. Wenn ich staatliche Hilfe in Anspruch nehmen wollte, dann musste ich Mati bei der Polizei anzeigen. Doch schon bei dem Gedanken daran bekam ich eine Gänsehaut, denn ich wusste, was mit denen passierte, die mir geholfen hatten. Aber es half nichts. Ich musste es tun. Mati würde nie Ruhe geben. Und bevor noch was Schlimmeres geschah, musste Mati von der Bildfläche verschwinden.

    Neuntes Kapitel

    Der Herbst hatte endgültig Einzug gehalten, als ich Ende September in einem der Sessel in Ilkas Büro saß. Draußen schien die Sonne, aber die Luft war kühl. Das Laub kämpfte darum, an den Bäumen zu bleiben, obwohl der Wind, der einen leichten Geruch nach Fäulnis mit sich führte, an ihnen zerrte. Es war früher Nachmittag, ich hatte es mir im Sessel gemütlich gemacht, die Beine untergeschlagen und einen Becher mit schwarzem Kaffee in der Hand. Der Henkel des abgestoßenen Bechers, der seine besten Tage hinter sich hatte, war sorgfältig geklebt worden. Ich hatte ein bisschen Zeit für mich, weil David mit einer Mitarbeiterin im Obergeschoss war. Ich war nervös, da gleich die Polizei kommen und mit mir sprechen wollte. llka und ich waren nach langen Diskussionen übereingekommen, dass es an der Zeit für mich war, mit den Behörden zu reden. Ich war unsicher, was mich erwartete, und stellte mir einen breitschultrigen, Respekt einflößenden Polizisten vor, der gleich bei uns auftauchen würde. Als jemand energisch an unsere Tür klopfte, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. llka blickte durch den Spion, bevor sie öffnete. Doch anstelle eines stattlichen Polizeibeamten stand eine Frau vor der Tür. Sie war ein bisschen älter als ich, mit braunen Naturlocken, die sie nachlässig hochgesteckt hatte, und einer hautengen Jeans, die sich um ihre rundlichen Hüften spannte.
    Die Röte ihre Nasenspitze und Wangen zeugte von der Kühle, die draußen herrschte. Sie lächelte nicht, hatte jedoch freundliche, wenn auch resolute Gesichtszüge. Sie wurde von einem männlichen, uniformierten Kollegen begleitet, der lang und schmal war. Obrigkeitshörig und gesetzestreu, wie ich war, hatte ich einen Kloß im Hals und musste erst mal schlucken, als er mir seine große Hand entgegenstreckte und sich vorstellte.
    Dann trat er ein wenig zurück und hielt sich im Hintergrund, während sich mir gegenüber die Frau setzte. Wahrscheinlich hatte die Polizei bewusst eine Beamtin geschickt statt eines Repräsentanten des Geschlechts, unter dem ich so gelitten hatte. Wie dem auch sei, es trug jedenfalls dazu bei, dass ich mich sicher und entspannt fühlte. Sie stellte mir Fragen, und ich berichtete über meinen persönlichen Hintergrund, von den Misshandlungen, meiner Flucht, meinen Ängsten und Sorgen um die Menschen, die mir am nächsten standen. Während ich erzählte, flossen unaufhörlich die Tränen, als wäre in mir ein Damm gebrochen. Ich bezwang meine Angst und schöpfte zum ersten Mal Hoffnung, dass es doch möglich sein könnte, mit fremder Hilfe ein neues, besseres Leben zu beginnen. Als ich Matis Nachnamen erwähnte, tauschten die Beamten einen raschen Blick, als könnten sie ihre Gedanken lesen. Die Polizistin sagte:
    „Einen Moment bitte“, stand auf und ging zu ihrem Kollegen, um sich mit ihm zu besprechen. Sie tuschelten kurz miteinander, ehe der Polizist den Raum verließ, um sein Sprechfunkgerät zu benutzen. Die Frau spähte zur Tür, entschuldigte sich und verließ ebenfalls das Zimmer. Ich konnte ihre Stimmen und die
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