Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Fenster waren erleuchtet. David begann sich zu regen, und ich wiegte ihn wieder in Schlaf. Im Traum lächelte er mich an, als wollte er sagen: „Hab keine Angst, Mama.Wir haben ja uns beide.“ Ich küsste ihn sanft auf die Stirn, bevor ich ihn hochnahm und zu Mona und ihrem Kollegen ging, die in der erleuchteten Toreinfahrt auf mich warteten.
Unser neues Zuhause war eine große, etwas unpersönliche Wohnung, in deren Vorraum sich die Kinderschuhe türmten. Als ich meinen Fuß über die Schwelle setzte, schlug mir sofort der Geruch nach orientalischen Gewürzen entgegen. Aus der Tiefe der Wohnung drangen Stimmen zu mir herüber. Hinter verschlossenen Türen hörte ich Kinder schreien. Das Heim schien ziemlich überfüllt zu sein. David und mir wurde ein kleines, dunkles Zimmer zugewiesen. An einer der kahlen Wände stand ein braunes Schlafsofa, und es roch so stark nach Kreuzkümmel, dass mir fast übel wurde. Ich versuchte das kleine Fenster zu öffnen, aber das war nicht möglich. Ich legte David aufs Sofa und ging wieder hinaus, um mich bei den Polizisten zu bedanken. Mona sollte später am Tag noch mal zu mir kommen, um meine Befragung fortzusetzen. Sie wollten auch Kontakt mit meinen Eltern aufnehmen und dafür sorgen, dass meine Freunde sich sicher fühlen konnten. Mir wurde davon abgeraten, mein Handy ausgiebig zu benutzen. Im Grunde sollte ich ganz darauf verzichten, um nicht Gefahr zu laufen, mich zu verplappern und meinen Aufenthaltsort preiszugeben.
Ich begriff, dass die Polizei Mati auf den Fersen war. Die Frage war nur, was sie alles über ihn wussten. Hatten sie unser Telefon angezapft? Hatten sie Gerüchte aus dem kriminellen Milieu aufgeschnappt, dass meine Tage gezählt seien? Ich wollte wissen, was sie konkret gegen Mati in der Hand hatten. Doch vielleicht war es besser, es nicht zu erfahren, sonst hätte meine Verzweiflung vermutlich noch zugenommen.
Ich ging in mein kleines Zimmer zurück und kümmerte mich nicht weiter um die lauten arabischen Stimmen, die aus dem Inneren der Wohnung drangen. Um David nicht zu wecken, schaltete ich die Deckenlampe nicht ein, sondern öffnete nur die Jalousien ein wenig. Auf diese Weise drang gerade so viel Licht der Straßenlaternen zu mir herein, dass ich mich einigermaßen orientieren konnte und wusste, wo ich mich befand, wenn ich mitten in der Nacht durch einen Albtraum aufwachen würde.
Ich nahm die feuchten Handtücher aus der Tüte und hängte sie über die Sofalehne. Das Geschrei der Kinder in den anderen Räumen wurde immer lauter. Ich beschloss, David erst mal die Windeln zu wechseln und uns beide dann als neue Nachbarn vorzustellen. Schwer zu sagen, wie viele Menschen sich hier unter einem Dach befanden, doch ich glaube, es waren vier andere Frauen, von denen jede drei oder vier Kinder hatte. Als ich zu den anderen in die enge Küche kam, fühlte ich mich sogleich als Außenseiterin, weil sie sich alle in einer Sprache unterhielten, die ich nicht verstand. Aus dem Kassettenrekorder dröhnte orientalische Musik, und da ich nicht stören wollte, hielt ich mich abseits. Ich hatte gerade damit begonnen, den Brei für David zuzubereiten, als mich eine der Frauen erblickte und ungläubig ansah.
„Dein Mann ist Russe?“, fragte sie erstaunt. Die anderen Frauen hörten auf zu reden und sahen mich ebenfalls an. Alle Gespräche in der Küche waren verstummt. Man hörte nur die lärmenden Kinder im Wohnzimmer.
„Wieso heiratest du russischen Mann? Die sind noch schlimmer als unsere Männer.“
„Der Vater meines Mannes kommt aus Estland, seine Mutter ist Österreicherin. Mein Mann ist kein Russe.“
„Egal“, sagte eine Türkin. „Komm, wir sitzen hier alle in einem Boot. Hast du Hunger, willst du etwas essen?“
Sie setzten mir eine Schüssel mit Suppe vor, die sehr gut schmeckte. Die junge Türkin, die ganz gut deutsch sprach, suchte mit mir Kontakt. Sie war zwangsverheiratet worden und ausgerissen. Ihr Mann war auf der Suche nach ihr.
Merve, so hieß die junge Frau, bemutterte mich, wo sie nur konnte. Sie meinte, ich muss essen, um wieder zuzunehmen. Als alleinerziehende Mutter brauche man viel Kraft.
Zehntes Kapitel
In den nächsten Tagen blieb ich fast nur in meinem Zimmer. Bei Tageslicht sah der Raum noch kleiner aus als im Dunkeln. Meine Vorbewohner hatten ihre Spuren in Gestalt von langen, dunklen Haarbüscheln und Staubflocken hinterlassen, und auf dem Schlafsofa entdeckte ich eine Reihe von Schamhaaren. Ich machte sauber, so gut es
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