Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
ging, und wischte den Boden mit feuchten Tüchern ab. Mein Handy schwieg beharrlich, ich verstand also, dass die Polizei meinen Angehörigen und Freunden denselben Rat gegeben hatte wie mir. Seit meiner Flucht waren inzwischen zehn Tage vergangen.
Ich spielte mit David, sang oder summte ihm Kinderlieder vor und genoss es sehr, ihm von all den Abenteuern zu erzählen, die sein Teddybär erlebt hatte, ehe er zu uns zog und Davids bester Freund wurde. Irgendwann schliefen wir dann beide auf dem Sofa ein und wachten erst wieder auf, als jemand an die Tür klopfte. Als ich sie öffnete, glaubte ich immer noch zu träumen, denn vor mir standen meine Mutter und Mona, die Polizistin. Mona hatte seit dem frühen Morgen gemein sam mit ihren Kollegen Material gesammelt und meine Eltern befragt. Dass Mama jetzt hier war, kam mir so vor, als seien meine Gebete erhört worden. Sie erzählte, dass Mati sie und Gabriel in den letzten Tagen in Ruhe gelassen habe. Allerdings sei schwer zu sagen, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Vielleicht gehörte es zu Matis Taktik, seine Opfer in Sicherheit zu wiegen. Dann würde es umso leichter sein, ihnen irgendwann ein Messer in den Rücken zu stoßen.
Wir gingen in die Küche. Meine Mitbewohner schienen alle aus dem Haus gegangen zu sein, denn das Einzige, was von ihnen zeugte, war ein Schafskopf mit klaffenden Augenhöhlen, der bei niedriger Temperatur in einem Topf vor sich hin köchelte. Wir schalteten den Wasserkocher ein und setzten uns an den Tisch, redeten darüber, was bis jetzt geschehen war und wie es weitergehen sollte. Mona kam auf verschiedene Ereignisse zurück, die ich ihr geschildert hatte, und fragte nach Datum und Uhrzeit. Es war nicht leicht, mich so exakt zu erinnern und alle Drohungen und Gewalttaten im Nachhinein voneinander zu unterscheiden. In den letzten Monaten hatten sie sich zu einem einzigen Albtraum zusammengeballt. Jetzt wollte ich alles erzählen, nicht, weil ich Rachegelüste gegenüber Mati empfunden hätte, sondern um klarzumachen, wie unerträglich die Situation für mich geworden war. Ich wollte nur Ruhe und Frieden und hätte mich am liebsten mit David auf ein Pferd gesetzt und wäre in der Ferne verschwunden. Ich wusste, dass mir ein langer Weg mit endlosen Untersuchungen und Befragungen bevorstand, an dessen Ende der Prozess stehen würde. Mir schlug bereits jetzt das Herz bis zum Hals, wenn ich mir vorstellte, dass Mati mir irgendwann mit all seiner Kälte und all seinem Hass in einem Gerichtssaal gegenübersitzen würde. Doch nachdem Mama und Mona wieder gegangen waren, spürte ich, dass sie mir Kraft und Mut gegeben hatten.
Kurze Zeit später erfuhr ich, dass ich abermals umziehen musste. München war nicht sicher genug, weil es im kriminellen Milieu Verbindungen gibt, die sich über die ganze Stadt erstrecken. Mir war das nur recht, und ich konnte es kaum erwarten, die stinkende Wohnung wieder verlassen zu dürfen. Schließlich saßen wir erneut in dem abgenutzten Polizeiwagen und rollten einem ungewissen Schicksal entgegen. In einer kleinen Stadt machten wir eine kleine Pause, damit David ein wenig herumlaufen konnte, ehe wir weiter fuhren.
Auf Empfehlung der Polizei, doch vor allem aufgrund des Engagements und zahlreicher Telefongespräche meiner Mutter hatte sich das Sozialamt von München sich widerwillig bereiterklärt, mich finanziell mit einem bescheidenen Betrag zu unterstützen, der gerade mal meine Ausgaben für Windeln und Nahrungsmittel deckte.
Wir kamen also in einen hübschen kleinen Ort nach Niederbayern. Die Wiesen und die schönen Häuser mit den vielen Blumenkästen ließen mich an Österreich denken. Ich fand es einfach himm lisch. Die Wohnung hatte vier Zimmer und lag in der Nähe eines Parks, wo ein Laden und ein Spielplatz waren. Unser Schlafzimmer war sauber und ordentlich, und es roch nach frisch gewaschener Bettwäsche. In der geräumigen Küche stand ein großer Esstisch, auf dem ein handgestickter Läufer mit hübscher Verzierung lag. Auf der Toilette befanden sich verschiedene Hygieneartikel, die wohl vor allem für Frauen auf der Flucht gedacht waren, die keine Freunde hatten, die ihnen das Nötigste mit auf den Weg gaben.
In der Nähe befand sich auch ein Büro der Frauenberatungsstelle, das ebenfalls sehr schön und gemütlich eingerichtet war. Die freundlichen Mitarbeiterinnen waren jederzeit zu erreichen. Sie kümmerten sich um mich, als sei ich ihre Tochter und David ihr Enkelkind. Wann immer
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