Wenn Die Seele Verletzt Ist
machen.
Ist das Suchtmittel legal nicht zu erwerben, so daß Vater oder Mutter straffällig werden und ins Gefängnis müssen, stehen die Kinder mit ihrer Schamalleine da. Das Erlebnis, daß einer der Eltern zum Schutze der Gesellschaft eingesperrt wird, wirkt zutiefst demütigend und verwirrend. In unseren Seminaren erleben wir immer wieder, daß solche Erfahrungen unter dem Siegel der Verschwiegenheit nur uns und nicht der Gruppe anvertraut werden.
Schwere Krankheiten von Familienmitgliedern können ebenfalls traumatisieren, besonders wenn Vater oder Mutter daran sterben. Der Verlust eines geliebten Menschen ist für jeden schwer zu verkraften, besonders aber für Kinder. Auch eigene schwere körperliche Erkrankungen und Operationen, die lange Krankenhausaufenthalte nach sich ziehen – besonders im Kindesalter – bergen die Gefahr einer Traumatisierung.
Die Kinder körperlich Erkrankter haben meistens einen guten Rückhalt in der erweiterten Familie und der Nachbarschaft. Kinder von psychisch kranken Eltern werden dagegen noch heute ausgegrenzt. So haben sie außer der überaus schwierigen Erfahrung, mit einem Elternteil zusammenzuleben, der emotional oft völlig unberechenbar oder überhaupt nicht ansprechbar ist, auch noch mit Einsamkeit zu kämpfen. Ich kenne kaum einen Menschen, der durch ein solches Schicksal nicht geprägt worden wäre. Vor vierzig bis fünfzig Jahren oder noch früher wurden psychische Erkrankungen häufig gar nicht diagnostiziert; die Menschen galten ganz einfach als seltsam. Viele Kursteilnehmer entdecken erst heute, daß sie Kinder von psychisch kranken Eltern sind, und verstehen sich nun in ihrer Symptomatik.
Wenn die Eltern bereits durch Flucht oder Vertreibung traumatisiert wurden, kann sich dieses Erleben, wie schon erwähnt, auch auf die Kinder übertragen. Heute haben vor allem Asylanten oder Einwanderer und deren Kinder ein hohes Risiko, an traumabedingten Symptomen zu erkranken. Von allen Traumata sind es die Naturkatastrophen, die wohl am leichtesten zu verarbeiten sind, weil hier das Vertrauen zur Familie und zu den Mitmenschen grundsätzlich nicht erschüttert wird. Außerdem sind meist viele Menschen betroffen, die miteinander über das Ereignis sprechen, was die Integration des Erlebnisses erleichtert. Dadurch wird den Betroffenen das Gefühl der Isolation erspart, das viele Traumatisierte empfinden, die allein zum Opfer geworden sind.
Wenn das Trauma durch einen anderen Menschen verursacht wurde, ist es für den Betroffenen leichter zu verarbeiten, wenn der Täter nicht aus der eigenen Familie stammt. Viel schlimmer ist es, wenn das Opfer den Täter kennt oder sogar liebt. Es scheint leichter zu sein, Übergriffe eines verhaßten Stiefvaters zu integrieren als des über alles geliebten Vaters oder eines bewunderten Verwandten. Häufig fühlen sich die Kinder dann mitschuldig am Inzest.
Kleinere Kinder, deren Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist und die darüber hinaus überhaupt nicht verstehen, was mit ihnen geschieht, entwickeln eher Symptome als erwachsene Opfer. Leider tragen Mädchen ein höheres Risiko, ein Trauma nicht zu verarbeiten, als Jungen. Es bleibt zu hoffen, daß moderne Mütter ihren Töchtern beibringen, daß es weiblich ist, sich zu wehren, nein zu sagen und sich abzugrenzen.
Besonders schwere Reaktionen sind verständlicherweise dann zu erwarten, wenn Mißbrauch oder Mißhandlung sehr lange dauerten und sich häufig wiederholten, besonders dann, wenn sich mehrere Täter an dem Opfer vergingen und ihm niemand zu Hilfe kam. Gewalt, durch die das Opfer körperliche Verletzungen zurückbehält, ist ebenfalls schwer zu verarbeiten. Immer häufiger finden wir Menschen, die ritualisierter sexueller Folter zum Opfer fielen. Dabei handelt es sich um ehemalige Mitglieder von Satanskulten oder um Kinder und Jugendliche, die zu Prostitution und pornographischen Darstellungen gezwungen werden. Kollegen bestätigten, daß sich solche Vorgeschichten traurigerweise häufen. Diese besonders schweren Fälle sollten wir wie die Opfer von Kriegshandlungen, Völkermord, Terrorismus und Folter an geeignete Kliniken empfehlen.
Nur mit einer entsprechenden Schulung und dem Rückhalt eines Teams können Therapeuten die Schilderungen dieser von Menschen ausgeübten Grausamkeiten ertragen. Und nur im Team ist es möglich, die Opfer wirklich rund um die Uhr aufzufangen und zu stabilisieren .
Die geglückte Traumaverarbeitung
Eine Traumatisierung in
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