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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sautter
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wird bevorzugt.“ Ferenczi nennt diesen Zustand „traumatische Trance, in der der Angriff aufhört, als starre äußere Realität zu wirken“.
    Wenngleich dieser Mechanismus dem Kind helfen mag, den Mißbrauch zu überleben, hat er doch entscheidende Nebenwirkungen, da das Abspalten von Gefühlen zur Gewohnheit wird. Die Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und zu verbalisieren, wird nicht geübt. Damit fehlen dem Traumaopfer wichtige Hinweise, um gefährliche Situationen richtig einzuschätzen (siehe „Wiederholung von Trauma“). Viele Betroffenen werden zusätzlich depressiv, leiden unter Konzentrationsstörungen und verlieren das Interesse an der Außenwelt.
    Mißhandelte Kinder haben auch als Erwachsene Schwierigkeiten, sich überihre Empfindungen zu äußern. Ohne Zugang zu seinen Gefühlen kann der Mensch kein Selbstwertgefühl entwickeln. Er hat eher das Gefühl, unter einer Käseglocke zu leben und nicht wirklich am Leben teilzunehmen. Manche fühlen sich „wie tot“ und verschaffen sich zum Beispiel Erleichterung, indem sie sich selbst verletzen. Im Augenblick der absoluten Dissoziation empfinden sie dabei überhaupt keinen Schmerz. Erst allmählich, wenn Blut fließt, kehrt die Empfindung zurück und damit die Gewißheit, lebendig zu sein.
    Immer wenn Menschen große Schwierigkeiten beim Empfinden und Wiedergeben von Emotionen haben und sich häufig wie abgeschnitten von ihrer Umwelt fühlen, sollte man eine Traumatisierung in Erwägung ziehen.
    Bei besonders schweren Fällen von Traumatisierung können Menschen Persönlichkeitsteile so umfassend abspalten, daß diese ein Eigenleben führen, eine eigene Handschrift und eigene charakterliche Ausprägungen besitzen. Die einzelnen Teile wissen nichts voneinander. Diese Störung nennt man „Multiple Persönlichkeitsstörung“. Die Multiple Persönlichkeitsstörung ist äußerst selten und doch kommt sie vor. Mir selbst begegnete sie einmal. Das grundlegende Merkmal ist das offensichtliche Vorhandensein von zwei oder mehr verschiedenen Persönlichkeiten bei einem Individuum. Dabei ist immer jeweils nur eine sichtbar. Jede Persönlichkeit ist vollständig mit ihren eigenen Erinnerungen, Verhaltensweisen und Vorlieben. Häufig ist eine der Persönlichkeiten dominant, die anderen treten erst in bestimmten typischen Kontexten auf. Auffallend ist dabei, daß die Persönlichkeit häufig keinen Zugang zu den Erinnerungen der anderen hat und die eine sich der Existenz der anderen fast niemals bewußt ist. Der Wechsel von der einen Persönlichkeit zur anderen vollzieht sich beim ersten Mal gewöhnlich plötzlich und ist eng mit traumatischen Erlebnissen verknüpft.
    Im ICD 10 werden im Kapitel F 44.0-44.7 weitere dissoziative Störungen genannt, die nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden sollen, da sie sehr selten vorkommen:
     
    • F 44.0 Dissoziative Amnesie – Es handelt sich um einen Verlust der Erinnerung an Ereignisse, die zu wichtig sind, als daß sie vergessen werden könnten. Meist geht es dabei um traumatische Ereignissewie Unfälle oder unerwartete Trauerfalle.
    • F 44.1 Dissoziative Fugue – Diese Menschen suchen zielgerichtet einen anderen Ort auf, wobei sie sich äußerlich unauffällig verhalten. Sie wissen jedoch nicht, warum sie das tun und wohin sie fahren.
    • F 44.4 - 44.7 Dissoziative Störungen der Bewegung und der Sinnesempfindungen – Meist handelt es sich hierbei um Krampfanfälle, die ohne körperliche Ursache auftreten. Viele Autoren wiesen auf den Zusammenhang mit sexuellem Mißbrauch hin.
     
     
    Selbstbeschädigendes Verhalten
     
    Wir unterscheiden bei dieser Störung zwischen offener und heimlicher Selbstbeschädigung. Die heimliche Selbstbeschädigung sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Solche Menschen fügen sich selbst Verletzungen zu oder täuschen Krankheiten vor, um in eine Klinik aufgenommen und möglichst operiert zu werden. Diese Fälle sind selten, und nur Ärzte und das Pflegepersonal von Kliniken sind davon betroffen.
    Für die offene Selbstbeschädigung gibt das Lehrbuch folgende Definition: „Unter der Bezeichnung ,offene Selbstbeschädigung’ versteht man psychische Erkrankungen, bei denen es zu selbstzugefügten körperlichen Verletzungen kommt, die zunächst nicht in suizidaler Absicht geschehen. Am häufigsten kommen selbstzugefügte Schnittverletzungen mit Rasierklingen oder anderen Gegenständen, Selbstverbrennungen und Kratz- oder Schürfwunden der Haut vor“ (Eckhardt-Henn in

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