Wenn Die Seele Verletzt Ist
Egle, S. 293).
Wenn sich Klienten verletzen, befinden sie sich in einem unerträglichen Spannungszustand und fühlen sich vollkommen leblos. Der Zustand der Dissoziation wird als unerträglich erlebt. Während sie sich verletzen, empfinden die Klienten keinen Schmerz; der Körperteil, der verletzt wird, ist wie tot. Nach der Selbstbeschädigung normalisiert sich das Schmerzempfinden was der Klient als Erleichterung erlebt, da er sich wieder lebendig fühlt. Alle Menschen, die sich bewußt schädigen oder verletzen, stammen aus gestörten Familiensystemen, wobei Schutzfaktoren fehlten oder nichtgenügend vorhanden waren. Die überwiegende Mehrzahl ist in der Kindheit mißhandelt oder vernachlässigt, etwa 50 - 60% sexuell mißbraucht worden. Selbstverletzungen gehören ebenfalls zum Krankheitsbild des Borderline-Syndroms (ebd. S. 299).
Die Selbstverletzung hat mehrere Funktionen. Zum einen ist sie Mittel zur Selbstbestrafung und entlastet damit von heftigen Scham- und Schuldgefühlen, aber auch von einer als unerträglich erlebten Spannung. Sie bringt zwar einerseits ein äußerst negatives Selbstgefühl zum Ausdruck, gleichzeitig gibt sie dem Betroffenen aber ein Gefühl der Kontrolle und der Allmacht. Die meisten Klienten geben an, daß sie sich durch den Akt der Selbstverletzung tief entspannen. Durch das Einsetzen des Schmerzgefühls überbrücken sie die Kluft zu ihren völlig abgespaltenen Körpergefühlen und fühlen sich wieder lebendig.
Klienten, die sich selbst verletzen, brauchen eine lange, kontinuierliche Psychotherapie, die vorzugsweise in einer Klinik oder durch ein kompetentes Therapeutenteam stattfinden sollte. Da die Selbstbeschädigung oft schon seit vielen Jahren als stabilisierender Faktor dient, geben die Klienten dieses Schutzverhalten nicht so einfach auf. Häufig verletzen sie sich während der Therapie noch heftiger, so daß die ärztliche Versorgung zu jeder Tages- und Nachtzeit sichergestellt werden muß.
Für diejenigen, die mit Kindern arbeiten, ist wichtig zu wissen, daß bei selbstbeschädigendem Verhalten in jedem Fall von einer traumatisierenden Familie, schlimmstenfalls von sexuellem Mißbrauch auszugehen ist. Kinder und Jugendliche zeigen diese Symptomatik erst nach jahrelanger Mißhandlung. Wem dies auffällt, sollte umgehend Schritte zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen einleiten.
Somatisierungsstörungen
Unter dem Begriff „Somatisierung“ sind die psychosomatischen Krankheiten zusammengefaßt. Somatisierung bedeutet, daß ehemals seelische Empfindungen auf die Körperebene verlagert werden. Traumatisierte Menschen,die ihre Gefühle dissoziieren, neigen dazu, diese durch körperliche Symptome zu ersetzen. Eine 1993 in den USA durchgeführte Studie zur Somatisierungsstörung (Pribor et al. in v. d. Kolk, S. 182) zeigte, daß über 90% der Frauen, die an psychosomatischen Symptomen litten, in irgendeiner Form als Kinder oder Jugendliche mißbraucht worden waren, 80% davon durch sexuelle Gewalt. Ohne schwere Traumata scheint sich daher nur sehr selten eine Somatisierungsstörung auszubilden.
Im ICD 10 sind die Somatisierungsstörungen im Kapitel F 45.0 - 45.0 zusammengefaßt, ohne den Hinweis auf den wahrscheinlichen traumatischen Hintergrund. Es wird ausschließlich die Charakteristik der körperlichen Symptome beschrieben, die wechseln und sich auf jeden Körperteil beziehen können. Die Betroffenen sind häufig depressiv und ängstlich. Frauen erkranken häufiger als Männer. Die Störung beginnt meist im frühen Erwachsenenalter.
ICD 10 führt im Besonderen auf:
• F 45.2- Hypochondrische Störung – Diese Menschen glauben, daß sie an einer oder mehreren schweren körperlichen Krankheiten leiden. Auch hier finden wir ein nur aus der Traumamechanik verständliches Verhaltensmuster, denn wenn man das Schlimmste vorwegnimmt, kann man davon nicht überrascht werden. Wir fanden bei hypochondrischen Störungen immer zu Grunde liegende Traumata.
• F 45.30 – kardiovaskuläres System – Die Symptome äußern sich meist in Form von Herzrasen, Schmerzen in der Brust, Angst und Panik. Der Betroffene glaubt, einen Herzanfall erlitten zu haben. Früher nannte man diese Störung auch „Herzneurose“.
• F 45.31 - 45.32 oberer und unterer Gastrointestinaltrakt – Übelkeit, Erbrechen und Durchfall prägen das Bild dieser Störung.
• F 45.33 – respiratorisches System – Bei einer Angst- oder Panikattacke neigen die Menschen häufig dazu, zu
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