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Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)

Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)

Titel: Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Winter
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konnte beim besten Willen nicht sagen, welcher nun der echte
Edan war. Wie in Trance sah er, wie der andere Edan, den er nicht
fühlten konnte, zum nächsten Kranken ging. Er sah, wie sein
Ebenbild ruhig und routiniert Schießpulver nachfüllte, das
Zündhütchen auflegte, sich über den stöhnenden Kranken beugte,
ihm die Pistole an den Kopf hob und ohne zu zögern abdrückte.
Erneut bohrte sich ein wilder Schmerz in seine Seele. Edan wollte
schreien, doch es kam kein Laut über seine Lippen. Obwohl er mehrere
Schritte von seinem eiskalten Spiegelbild entfernt war, spürte er
dennoch jeden feucht-warmen Blutspritzer auf seinem Gesicht. Es
fühlte sich an, als ob Pfeilspitzen seine Haut ritzen würden.
Langsam glaubte er verrückt zu werden. Er erschauerte, als ihm klar
wurde, dass sein Ebenbild eiskalt tötete, und er zum bloßen Zusehen
verdammt war.
    Gehetzt
sah er sich um. Die anderen mussten doch auch sehen, dass er sich in
zwei Persönlichkeiten gespalten hatte. Doch niemand kümmerte sich
um ihn. Die anderen Offiziere waren viel zu sehr mit ihrem eigenen
Töten beschäftigt und nahmen keinerlei Notiz von ihm. Edan sah
erneut ungläubig an sich herunter und dann wieder zu dem anderen
Edan hinüber, der mittlerweile weitergegangen war. Der einzige
Unterschied zwischen ihm und diesem eiskalten Edan war, dass dieser
Waffen trug. Er versuchte, den tötenden Edan zu fühlen oder zu
steuern. Doch so sehr er sich auch bemühte, er verspürte keine
Verbindung zu seinem anderen Ich. Edan begann immer mehr an seinem
Verstand zu zweifeln und war überzeugt, dass er gerade im Begriff
war wahnsinnig zu werden.
    Er
zwang sich mit aller Macht, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu
richten. Das Stöhnen und Wimmern um ihn herum, war nach und nach
verstummt, stattdessen hörte er jetzt das laute Aufklatschen der
toten Leiber, die einfach über Bord geworfen wurden. Er versuchte
sich selbst zu beruhigen. Doch das gelang ihm nur schlecht, denn der
andere, der eiskalte Edan, der wie ein Fremder durch die Reihen der
Toten ging und nach weiteren Opfern Ausschau hielt, zwang ihn, ihm zu
folgen. Er konnte diesen anderen Edan nicht fühlen! Es war, als ob
dieser innerlich tot war – während er, der denkende Edan, jedes
Gefühl in doppelter und dreifacher Intensität zu spüren schien.
    Erleichtert
sah er, dass sein anderes Ich fast die Absperrung zum vorderen Deck
erreicht hatte - damit würde das Töten endlich ein Ende haben. Doch
wenige Schritte davor hielt der eiskalte Edan plötzlich inne, drehte
suchend den Kopf, um dann mit langsamen Schritten erneut durch die
Reihen der Toten zu schreiten. Da hörte auch Edan das leise Wimmern
und Stöhnen. Entsetzt schloss er die Augen – das Morden war noch
nicht zu Ende! Er sah, wie sein eiskalter Zwilling niederkniete und
einen wimmernden Kranken langsam zu sich umdrehte. Edan schaute in
das Gesicht des Mannes und erschrak. Vor ihm lag ausgerechnet John
Withcomb. Wie von unsichtbaren Mächten gezogen, stand Edan plötzlich
neben ihm.
„Commander ...!“, röchelte der alte Mann und so
etwas wie ein Lächeln begann sein Gesicht zu verziehen. Der
Segelmacher war bei vollem Bewusstsein. Er hielt sich den
aufgeblähten Bauch und stöhnte vor Schmerzen. Edan stand regungslos
daneben.
„Kommt näher!“, sagte Whitcomb mit kaum hörbarer
Stimme. Edan starrte auf den älteren Mann, der ihm so vieles von dem
beigebracht hatte, was er heute wusste. Langsam ging der kalte Edan
neben dem alten Mann in die Knie.
„Bitte! Sorgt dafür ...!“,
röchelte der von heftigen Bauchkrämpfen geschüttelte Segelmacher,
„... dass meine Familie, das Verlustgeld für mich bekommt!“
Seine
knochigen Finger krallten sich flehend in Edans Wade.
„Versprecht
es mir, Commander!“, flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme.
Withcombs Augen waren glasig vor Schmerz. Er schaute Edan ohne
jeglichen Groll an, obwohl er mit Sicherheit längst mitbekommen
hatte, welch grausames Spiel an Bord gespielt wurde.
Ein bitterer
Geschmack machte sich auf Edans Zunge breit. Withcomb war der Mann
gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass er als wilder
Sechzehnjähriger am harten Bordleben nicht zerbrochen war. Dieser
Mann hatte ihn mit seiner Gutmütigkeit vor so manch harter und
grausamer Strafe bewahrt.
    Mit
Entsetzen stellte Edan fest, wie sein kaltes Ich ungerührt
Schießpulver in seine Pistole einzufüllen begann, um danach ebenso
ungerührt das Zündhütchen aufzulegen. Edan begann wild zu fluchen
und versuchte sein

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