Wenn die Wahrheit nicht ruht
Schliesslich gab es genug Abenteurer und Verrückte , die sich auch bei schlechtesten Bedingungen in den Wald wagten. Ganz zu schweig en davon, dass Hans nicht eher r uhen würde , bis er ihn gefunden hatte. Es wäre eine Illusion zu glauben, Hans würde ihn wenigstens erneut der Gerichtsbarkeit ausliefern. Diesmal nicht. Diesmal würde er selbst das Gesetz in die Hand nehmen, davon war Ambros überzeugt. Seine einzige Chance war möglichst weit weg zu gehen. Am besten ins Ausland. Frankreich zum Beispiel. Er wollte schon immer mal nach Südfrankreich. Die Wärme, das Meer, der Sandstrand - so ganz anders als Zuhause. Zuhause? Nein, ein Zuhause hatte er nicht mehr.
Aber bevor er von einem neuen Zuflucht sort träumen konnte, musste er von dem A lten unbeschadet wegkommen.
Also beschloss er, sich seine Träumereien für später aufzuheben und sich hier und jetzt darauf zu konzentrieren, den Berg hinunter ins Tal zu kommen. Am besten war es wohl, direkt nach Italien durchzubrechen und von dort aus weiterzusehen.
Ambros hatte sich noch nicht weit von Alina s Haus entfernt, als hinter ihm plötzlich die Nacht hell erleuchtet wurde und ein ohrenbetäubender Lärm die Luft erfüllte. Sofort duckte er sich hinter ei nen Fels und versuchte, etwas zu erkennen . Mehrmals musste er blinzeln, bis sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten. Langsam nahmen die Umrisse hinter dem Licht deutlichere Formen an . Je klarer die Objekte wurden , desto mehr begriff er die Bedeutung der Geräusche. Und dann war auf einen Schlag alles ganz klar. Drei Schneemo bile rasten in halsbrecherischem Tempo direkt auf sein Versteck zu.
Aus den Augenwinkeln nahm er kleinere Lichtkegel wahr. Erst blitzten sie zu seiner Linken und Rechten nur vereinzelt zwischen den kahlen Baumstämmen hervor. Schnell wurde n es aber mehr . Ein Blick über die Schulter genügte, um festzustellen, dass es hinter ihm nicht besser aussah. Er war umzingelt.
Am schlimmsten aber empfand Ambros einen anderen eindringlichen Laut und kurze abgehakte Befehle , die von den Felsen widerhallten . Sie waren auf der Jagd. Aber nicht nach Wild. Sie jagten ihn. Und sie hatten die Hunde dabei. Ambros wusste, er musste sofort reagieren. Gegen die Menschen konnte er vielleicht noch ankommen, aber gegen die Jagdhunde hatte er nicht die geringste Chance. Es sei denn, er war schneller als sie. Er musste sich entscheiden und zwar jetzt.
Die Fahrzeuge kamen imme r näher. D ie Hunde schienen die Witterung aufgenommen zu haben. E rwischten sie ihn, würde er so oder so sterben. D as konnte er genausogut tun, in dem er versuchte , sein Leben zu retten.
Die Schneemobile würde n kaum weiter frontal auf den Fels zusteuern , hinter dem er sass. E ntweder sie hielten an oder sie drehten ab. Was sie auch tun würden, er musste schnell sein. Zwar hatte er den Überraschungseffekt auf seiner Seite, aber der währte nur kurz. Und die Hunde kamen rasch näher. Ambros atmete tief ein. Ohne die Schneem obile aus den Augen zu lassen zählte er bis drei. Dann sprang er auf den Felsen, genau in dem Augenblick, als das mittlere Schneemobil unterhalb des Steins seitlich abdrehte.
Als der Fahrer des Gefährts die Bewegung über sich wahrnahm, hob er den Kopf. Ironischerweise erkannte Ambros in dem Mann Jan . Ohne zu zögern sprang Amb ros vom Fels. Halb auf Jan, halb auf dem Schneemobil landend, nu tzte er Jans Körper, um die Wucht des Aufpralls zu bremsen . G leichzeitig verwendete er aber seinen Schwung, um Jan wegzustossen. Dieser wehrte sich, klammerte sich mit einer Hand am Schneemobil fest. Ambros sah seinen Vorteil, hievte sich mehr auf das Fahrzeug, packte gleichzeitig Jans anderen Arm und drehte ihn erbarmungslos auf den Rücken . Jan jaulte auf, der Schmerz durchzuckte ihn und für den Bruchteil einer Sekunde lockerte er seinen eisernen Griff um den Lenker. Lange genug, dass Ambros mit dem freien Ellbogen ausholen , ihn seinem Gegner mit voller Wucht ins Ges i cht rammen und diesen gleichzeitig von sich stossen konnte . Jan verlor den Halt und dann verschwand er in einer Schneewehe.
Eilig rutschte Ambros nach vorne und griff nach dem führerlosen Lenker. Hektisch sah er sich um. Seine Attacke war von Jans Kumpeln sicherlich nicht unbemerkt geblieben. Aber wo waren sie? Ambros erhielt die Antwort schneller als gewünscht. Hinter ihm , genauso wie von der Seite , heulte n Motoren auf. Durch den aufgewühlten Schnee konnte Ambros kaum etwas erkennen, also verliess er sich auf sein
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