Wenn die Wahrheit nicht ruht
in den Mantel der tauben , abgestumpften Gefühle, um es vor der Aussenwelt zu schützen und zu behüten.
Erfüllt von dieser eisigen Ruhe ging sie mechanisch auf die Tür zu, hinter der zuvor Jan und sein e Begleiter verschwunden waren und trat in ihr Haus. Dann füllte sie eine Schüssel mit Wasser, griff sich einen Lappen und ging ins Wohnzimmer.
Wie vermutet fand sie Jan halb sitzend, halb liegend auf dem Sofa vor. Ihr Eintreten sorgte für offene Münder. Verständnislos sahen die drei Männer Alina an , während sie sich wortlos nieder kniete, den Lappen in das Wasser tauchte und damit Jans feuchte Stirn abtupfte.
Jan wehrte sich nicht. Er schaute seine Frau nur an. Eigentlich kochte er vor Wut, aber er hatte ihre Hand schon so lange nicht mehr in dieser Zärtlichkeit gespürt, dass sein Ärger mit jeder neuen Berührung ein bisschen mehr weggewischt wurde.
Langsam begann er sich zu entspannen. Eine wohltuende Selbstsicherheit und ein ungeheures Gefühl des Triumphs überkamen ihn. Man würde über diese Nacht reden, zwar nur hinter vorgehaltener Hand, aus Angst vor Hans, aber er , Jan, wäre in aller Munde. Als Held. Er hatte seinen Nebenbuhler in die Schranken gewiesen. Das Duell war ausgefochten und die Trophäe gehörte ihm. Ihm ganz alleine.
2010
Nachdem sie einsehen mussten, dass nicht noch mehr Informationen zu holen waren, einigten sie sich darauf, erst einmal alles setzen zu lassen. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, was er mit seinem Wissen anfing und was als nächstes zu tun war. Zwar hatte Sören noch einen Versuch unternommen, Leonie in sein Bett zu locken, was ihm eine Abfuhr von Leonie und einen säuerlichen Blick von Sebastian einbrachte, aber das war ihm egal. Denn alleine schlafen musste er trotzdem nicht. Schliesslich hatte er noch ein Ass im Ärmel.
Der Ordner hatte seinen Platz in der Kühltruhe unter den Desperados gefunden. Sicher war sicher.
Mit der Kaffeetasse in der Hand lehnte Angela am nächsten Morgen an der Theke und starrte nachdenklich Löcher in Luft. Ihre Kinder waren bereits in der Schule, sie hätte sich also ruhig noch ein wenig mehr ausruhen können, aber sie war zu aufgewühlt, um sich noch einmal hinzulegen. Erst Timos Eintreten riss sie aus ihren Tagträumen.
„Worum geht’s?“
Angela begriff nicht, was ihr Mann von ihr wollte. Fragend blickte sie ihn an. Er warf ihr ein keckes G rinsen zu, liess seinen Blick über ihre kurzen Shorts und das knappe Trägertop wandern und zwinkerte ihr auffordernd zu. Dann hauchte er ihr einen Kuss auf den Mund , schwebte an ihr vorbei und öffnete den Kühlschrank.
„Ich soll mich also um Jahre zurückwühlen, ohne auch nur den blassesten Schimmer, ob es das Zeug noch gibt, darf aber nicht wissen weshalb.“
Erst als Timo seinen Rücken zum Kühlschrank drehte, sah Angela den kleinen silbernen Bluetooth-Empfänger am Ohr. Angela begriff, dass es überhaupt nicht um sie ging. Kopfschüttelnd fragte sie sich, wo bloss die grossen Telefonhörer hingekommen waren. Sie drehte sich weg und lenkte ihre Konzentration auf das, was sie am heutigen Tag vorhatte.
Timo plauderte unbeirrt weiter. „Ja, ich hab ’ die Aufgabe begriffen, aber ich versteh ’ nicht, warum ich das tun soll.“
„Stell nicht so viele Fragen, tu es einfach!“ Sebastian wartete die Antwort ab.
„Geht doch. Ich bieg grad auf den Waldweg ein, du fliegst also gleich aus der Leitung.“ Wieder lauschte er. „Okay, alles klar. Ach, und Timo? Da wäre noch eine Bitte.“ Sebastian zögerte, denn es ging ihm eigentlich selbst gegen den Strich, aber er entschied, dass es zum jetzigen Zeitpunkt das Beste war. „Sag Angela noch nichts. Okay?“ Am anderen Ende wurde es still. Sebastian fürchtete schon, Timo würde auflegen. Aber dann kam ein Räuspern, worauf zögerlich die erhoffte Bestätigung folgte. „Danke , Mann. B is dann.“
Sebastian klappte sein Telefon zu und bog auf den Weg zum Haus seines Vaters ein. Er kannte den Pfad wie seine Westentasche, eg al , welche Wetterverhältnisse herrschten. Sein Jeep glitt über den unberührten Neuschnee der gestrigen Nacht. Heinz war also zu Hause .
Eigentlich hatte Sebastian vorher anrufen wollen, aber wie so oft stimmte etwas mit den Leitungen zu Heinz’ Haus nicht, denn er bekam keine Verbindung. Ungewöhnlich war das nicht. Ein Haus im Wald war traumhaft in seiner Abgeschiedenheit, aber genau das machte es auch etwas aufwendiger, wenn man die Vorzüge der Zivilisation
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