Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
Vom Netzwerk:
Piste zusammengesucht hatte und jetzt neben sie legte, kam Sebastian um eine Antwort herum. Dankbar für diese Unterbrechung, wechselte er das Thema. „Meinst du, du möchtest die Bretter noch einmal anschallen oder hast du fürs Erste genug?“
    Obwohl es nur von kurzer Dauer gewesen war, freute sich Leonie , dass Sebastian seine Abneigung ihr gegenüber vergessen hatte. „Aufgeben und dich damit aus der Verantwortung entlassen? Das hättest du wohl gerne. Wenn ich Blessuren davontrage, werde ich sie dir unter die Nase reiben, da kannst du dir sicher sein, aber bis ich die blauen Flecken gefunden habe, mache ich weiter.“
    Leonie stand auf, verzog nur einmal kurz das Gesicht, klopfte den Schnee von ihrer Kleidung, stellte sich dann mit zusammengebissenen Zähnen tapfer auf die Ski und tat, als müsste sie andauernd eine gefühlte Ewigkeit auf ihren Begleiter warten. Dieser hingegen war bemüht, seine ehrliche Verblüffung zu verbergen und so neutral wie möglich zu wirken.
     
    Zurück im Tal kam Sebastian nicht umhin, Leonie zu loben. „Bilde dir ja nichts darauf ein, aber ich bin echt beeindruckt. Du has t das G anze ziemlich gut weggesteckt und einfach weitergemacht. Das verdient Respekt.“
    „Sekunde mal. Sind das etwa lobende Worte? Warte bitte einen Augenblick.“
    Leonie griff nach Sebastians Arm und senkte den Kopf. Besorgt darüber, ob Leonie doch nicht so glimpflich davongekommen war, legte er seine Hand wiederum an ihre Wange, um ihren Kopf so zu drehen, dass er in ihr Gesicht sehen konnte. Die Intimität dieser Geste liess Leonie tatsächlich leicht schwanken.
    „Ist alles in Ordnung?“
    „Klar, ich wollte nur den Moment a uskosten, in dem Herr Sebastian-keine-Ahnung-wie- noch tatsächlich freundliche Worte für die eigentlich verachtenswerte Betthüpfbardame Leonie gefunden hatte.“
    Ob diesem Trick und den gesagten Worten wollte Sebastian eigentlich wütend werden. Es gelang ihm aber nicht. Stattdessen ärgerte es ihn, dass sich seine Mundwinkel tatsächlich ungefragt in Richtung seiner Ohren verzogen, um ein Lächeln zu formen. Ruckartig liess er Leonies Gesicht los und schubste sie in den Schnee. „Zur Abkühlung.“ Dann stapfte er davon.
     
     

1986
     
    Nun war es für Verena amtlich. Dies waren die schlimmsten Ferien, die sie je erlebt hatte. Eigentlich hätte sie es bereits zu dem Zeitpunkt wissen müssen, als Marc ihre Einwände wegen des Abfahrtstages ignoriert hatte. Aber sie hatte nachgegeben . Und prompt gerieten sie in einen Stau, der ihr beinahe die Tochter genommen hätte. Dass jene dann kurze Zeit später erneut einer unberechenbaren Gefahrensituation ausgesetzt wurde, war einfach zu viel. Daran trug nur dieser verantwortungslos e Vater die Schuld.
    Schlimm genug, dass die Kleine mutterseelenallein die Piste unsicher machte, war sie ihr auch noch begeistert in die Arme gelaufen, na chdem Marc sie anschliessend wieder auf den Berg gebracht hatte. Ohne Punkt und Komm a bekam sie die Geschehnisse erzählt. Während ihr Entsetzen stieg, schien Marc in seiner Reue zu ertrinken . Aber es brachte alles nichts.
    Zutiefst e nttäuscht schnappte sie sich kurzerhand ihr Kind und liess ihren Ehemann im Schnee stehen. Und nun, da sie sich in ihrer Ferienw ohnung eingefunden und langsam zur Ruhe gekommen war, brach draussen ein ohrenbetäubender Tumult aus. Leonie war in ihrem Zimmer und wo Marc war, war Verena egal. Den kühlen Waschlappen von ihrer Stirn nehmend , schlurfte sie theatralisch auf den Balkon . Von dort konnte sie gerade no ch sehen, wie eine nicht geringe Anzahl Leute beinahe ehrfürchtig vor einem Mann zurückwichen, der den Platz soeben zu betreten schien. Das anfängliche Selbstmitleid wich der unverhohlenen Neugier , weshalb Verena sich hinter dem Vorhang des Fensters hervor und hinaus auf den Balkon traute, von wo aus sie das Szenario besser überblicken konnte.
    Obwohl sie wusste, dass es sich nicht gehörte, sich an anderer Menschen Leid zu weiden, obsiegte die Sensationslust. Sie war sich noch nicht schlüssig, ob sie dem Mann, der soeben von der Polizei aus dem Nachbarhaus geführt wurde , ihr Mitleid schenken oder ob sie ihn lieber verachten sollte. Während sie darüber nachgrübelte, dass jemand, der verhaftet wurde, bestimmt auch etwas ausgefressen hat te und es daher nicht besser verdient e, brach auf dem Platz plötzlich das Chaos aus. Zuerst waren die Stimmen nur leise an ihr Ohr gedrungen. Sie hatte hören können, wie der Begleiter des beeindruckenden

Weitere Kostenlose Bücher