Wenn die Wahrheit nicht ruht
verlangen.“ Der Nachdruck mit dem er das sagte, liess Leonie endlich aufblicken. Sebastian stand nun direkt über ihr. Wieder rieselte bei seinem Anblick ein kalter Schauer durch ihren Körper.
„Was? Wieso das denn? Kapier ich nicht.“
„Ich doch auch nicht. Aber wäre es nicht einfach er , aufzustehen und der Sache auf den Grund zu gehen, als hinter der Theke zu hocken und mir Fragen zu stellen, die ich doch nicht beantworten kann?“
Diesmal funkelte sie ihn böse an, wenn auch nur noch halbherzig, denn ob s ie wollte oder nicht, er hatte R echt. Also stand sie langsam auf. Genau darauf bedacht, Sebastians Blick standzuhalten und den Abstand zwischen ihnen so gering wie möglich zu halten. Er sollte für das, was er getan hatte , ei n wenig leiden und das am besten ab sofort. Zu ihrem Bedauern musste sie feststellen, dass er scheinbar ungerührt stehen blieb. „Na gut. Dann ist es jetzt dein Fass.“ Sie schob sich an ihm vorbei in die Richtung , aus der Sebastian gekommen war , aber nicht, ohne ihn mit dem Becken ganz beiläufig zu streifen .
Um herauszufinden, wer nach ihr verlangt hatte, liess sie den Blick durch den Raum schweifen. Und dann sah sie ihn. Mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen blieb sie so abrupt stehen, dass Angela beinahe in sie hineingeprallt wäre. Dadurch aufgeschreckt setzte sich Leonie langsam wieder in Bewegung, ohne den Blick von ihrem Ziel abzuwenden.
Er hatte sie schon lange gesehen und süss war sie, wie sie hinter dem Fass gesessen hatte. Nur der Blick des Typen, der sie geholt hatte, hatte das Bild gestört. Wie sie jetzt auf ihn zukam, ohne ihre unergründlich grünen Augen von den Seinen zu lösen, weckte in ihm sofort wieder ein unbändiges Verlangen nach m ehr. Dass sich ihr Gesichtsausdruck von Überraschung langsam in Neugie rde wandelte, unterstützte das G anze nur noch.
„Hallo Sören.“ Leonie fiel ihm ganz bewusst nicht um den Hals und entschied, vorerst auch auf ihrer Seite der Theke stehen zu bleiben. Sie wollte sich langsam an die Gründe seiner Anwesenheit herantasten. Denn normalerweise war es kein gutes Zeichen, wenn eine ihrer Bettgeschichten, von der sie sich eigentlich verabschiedet hatte, auf einmal wieder auf der Bildfläche erschien.
E ine etwas wärmere Begrüssung hätte er schon erwartet, er beschloss dann aber, die Distanziertheit als Spiel zu betrachten und diese Herausforderung nahm er nur zu gerne an. „Dich besuchen. Etwas mehr Begeisterung hätte ich allerdings schon erwartet.“
Das tiefe Blau seiner Augen funkelte spitzbübisch und Leonie musste zugeben, dass er es, wie früher auch immer, bereits mit wenig Aufwand wieder geschafft hatte, sie etwas milder zu stimmen. Er wirkte und agierte einfach so herrlich unkompliziert. Da sie diese Manöver allerdings selbst in Perfektion beherrschte, blieb sie skeptisch. „Tatsächlich? Hast du mich etwa vermisst?“
Mit Genugtuung stellte er fest, dass das katzenh afte S chnurren in ihre Stimme zurückgekehrt war.
„Sagen wir, du warst an der Auswahl meines Aufenthaltsortes nicht ganz unbeteiligt.“
Er spürte sofort, wie sie innerlich zurückwich, obwohl äusserlich keine Veränderung in ihrer Haltung zu erkennen war. „Kein e Sorge, ich stelle dir nicht nach. Ich will auch nichts von dir, obwohl ich nichts dagegen hätte, dort weiterzumachen, wo wir in der Lenzerheide aufgehört haben.“
Sein anzügliches Lächeln rief in Leonie einige angenehme Erinnerungen wach. „Ja, ich glaube, wir waren ziemlich gut! Trotzdem, deine Pläne hätten dich do ch nach Schweden führen sollen. Grächen liegt nun aber nicht unbedingt auf dem Weg dorthin .“
„Naja, irgendwie hatte ich noch keine Lust, wieder zurückzukehren, ohne den Rest der Schweiz nicht auch noch gesehen zu haben. Also dachte ich, ich schau auf meinem Weg durch das Wallis einfach mal bei meiner alten Freundin und Mitarbeiterin vorbei. Ich werde auch nicht lange bleiben. Versprochen.“
„Gut, sehr gut. Wohin willst du anschliessend?“
„Ich dachte, ich trampe weiter durch das Tal. Mal rauf, mal runter und hoffe, irgendwann in Genf anzukommen. Ich will diesen künstlichen Geysir mal begutachten.“
„Das ist kein Geysir, das ist ein Springbrunnen und der heisst naheliegenderweise Jet d’eau.“
„Jet d’eau? Die Genfer scheinen in Sachen Namensgebung nicht sehr kreativ zu sein. Wie dem auch sei, das wäre mein Etappenziel, bevor ich über Biel und Neuenburg nach Bern und dann vielleicht zurück nach Zürich
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