Wenn die Wahrheit nicht ruht
wütend?“
„Weil dein Papa ein Idiot ist.“
„Ist es weil , ich gestern alleine gefahren bin ? Dann bin nämlich ich schuld und nicht du. “ Mit ihren grossen grünen Augen schaute Leonie zu ihrem Vater auf.
Erstaunt darüber, wie sensibel sein kleines Mädchen die Situation zu erfassen vermochte und gerührt über ihre offensichtliche Bereitschaft, die Schuld auf sich zu nehmen, um ihren Vater zu schützen, legte er einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. „Nein Liebes, ich hatte die Ver antwortung und hab ’ s vermasselt. Dafür gilt es jetzt einzustehen. Du hast nichts falsch gemacht. Und so ganz nebenbei“, er packte sie und begann sie zu kitzeln, um die schwere Stimmung zu vertreiben, „d u scheinst gestern mächtig Spass gehabt zu haben!“ Sein Angriff verfehlte die Wirkung nicht. Leonie jauchzte fröhlich au f und wand sich kichernd im Versuch, seinen Händen zu entrinnen. „Abgesehen davon, was fällt dir eigentlich ein, mich einfach anzuspringen, mich aus meinem Schlaf zu reissen und dann noch zu behaupten, du hättest ein Schwein gejagt?“
Leonie gelang die Flucht, woraufhin sie, Lilli fest im Arm, kreischend durch das Wohnzimmer sauste. Marc war natürlich schneller. In einigen wenigen Schritte n hatte er sie wieder eingeholt , legte den Arm um ihren Bauch, hob sie hoch und drehte sie auf den Kopf. Die langen , roten Haare hingen frei in der Luft nach unten und Leonies Gesicht l ief rot an. Ob es am Lachen lag oder daran, dass ihr das Blut in den Kopf stieg , liess sich nicht genau sagen. Marc wirbel te Leonie noch kurz durch die L uft, bevor er sie wieder absetzte. Dann drückte er ihr einen Kuss auf den Scheitel und schubste sie ein wenig vorwärts. „Du verschwindest jetzt besser in die Küche und sorgst für guten Kaffee, vielleicht kann ich dir dann das mit dem Schwein verzeihen. Möglicherweise habe ich mich bis dahin auch entschieden, ob ich deine Handlung von vorhin sehr tapfer oder eher leichtsinnig finden soll.“
Leonie verdrehte die Augen. „Ach , Papa, du weiss t doch, dass ich keinen Kaffee machen kann!“
„Egal. Nun geh!“ Gebieterisch hob Marc die Hand und zeigte in Richtung Tür, durch die Leonie dann auch kichernd verschwand.
2010
Als Leonie am nächsten Arbeitsabend Sebastian kommen sah, huschte sie geschäftig mit einer f adenscheinigen Ausrede durch den Hinterausgang, ohne der fröhlich weiterplaudernden Angela auch nur ein Wort zu sagen. Diese war dann auch entsprechend erstaunt, als sie sich umdrehte und feststellen musste, dass sie eine Unterhalt ung mit gähnender Leere führte.
Sich soeben noch über diese Tatsache wundernd, liess sie bei Sebastians Eintreten langsam die Hand sinken, mit der sie sich erstaunt am Kopf gekratzt hatte. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie ihn und zog ohne U mschweife ihre Schlussfolgerungen. „Was hast du getan?“
„Wie bitte?“ Obwohl er wusste, dass Angela ihn durchschaut hatte, hoffte er, um eine Erklärung herumzukommen. Allerdings wie immer vergeblich, wie er feststellen musste.
„Du siehst aus, als könntest du deinen Schädel ungefähr zehn Mal gegen eine Steinmauer schlagen, in der Hoffnung, die begangene Dummheit würde aus dem Gedächtnis fallen.“
„Quatsch. Ich bin nur mit dem falschen Bein aufgestanden...“
„...weil dich etwas plagt“, b eendete Angela mit ernster Miene den Satz. „Mach es uns doch ausnahmsweise etwas einfach er als sonst und rü ck raus mit der Sprache. Du weiss t, wie ausdauernd ich bin.“
Und wie er das wusste. W enn es sein musste, konnte sie m onatelang nachbohren. Schon einige Male war sie das Risiko eingegangen , auf ewig verflucht zu werden, im Nachhinein waren dann aber doch alle dankbar für ihre Ausdauer. Da Sebastian wirklich eine schlechte Nacht hinter sich hatte, beschloss er den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen. Würde er jetzt beichten, wäre es anschliessend zumindest vorbei. „Ich hätte sie beinahe geküsst.“
Obwohl Sebastian keinerlei Namen nannte, wusste Angela , um wen es ging und wann das gewesen war. Denn nachdem am Vorabend alle gegangen waren, hatte Timo noch einen Kontrollblick aus dem Fenster geworfen, wie er es immer tat. Als er dann zu Angela ins Bett krabbelte und sich über ihren Hals hermachte, hatte er ganz beiläufig etwas von Funken, Sebastian und Leonie gemurmelt. In ihrer aufsteigenden Erregung hätte Angela es beinahe überhört, aber als die Information schliesslich doch noch auf eine nicht
Weitere Kostenlose Bücher