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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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irgendwie drehte sich alles und ich verlor die Orientierung. Ich hatte keine Ahnung mehr, wo oben , unten , links oder rechts war. Verschluckt von dieser Schneewolke war ich wie abgeschnitten von meiner Umgebung. Es war so surreal. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, nicht mehr im Hier und Jetzt zu sein. Wie eine Art Traum spielte sich eine Szene in meinem Kopf ab, aber es waren immer nur Einblicke in kurze , abgehackte Bilder.“
    Gebannt folgte Sören den Ausführungen. „Das klingt irgendwie verrückt, aber erzähl ’ weiter. Was hast du gesehen?“
    „Ich weiss doch auch, wie irre sich das anhört, deshalb lässt es mich ja auch nicht in R uhe. Ich stand oben auf einer Hügelkuppe und schaute in Richtung Tal. Allerdings war ich nicht erwachsen , sondern noch ein Kind.“
    „Woran hast du das erkannt?“
    „Ich weiss es nicht. Es war , als würde ich , wie ein Schatten , mir selbst als Kind zusehen. Echt krank. Es ist mir sogar noch in Erinnerung, dass ich zwei lange , rote Zöpfe hatte. Und ich steckte in einem scheusslich neongelben Skianzug. Wenn ich so darüber nachdenke, mein Gesichtsausdruck war irgendwie starr. Als nächstes war da eine ziemlich bewegungsfreudige Schneewolke auf der Piste, aber das war nicht ich dort drin. Es war eher, als würde das Mädchen beobachten, wie jemand nach einem Sturz den Berg hinuntersaust. Wahrscheinlich hatte es sich erschrocken und war drum so starr. Wie auch immer.“ Leonie schüttelte den Gedanken ab, um nicht zu weit in Theorien abzudriften. „Jedenfalls verschwimmt es dann. Ich sah quasi durch die Augen derjenigen Person, die das Mädchen gesehen hat. Ich lag auf dem Rücken. Über mir der strahlend blaue Himmel, eine einzige weisse Wolke, ein überhängender Fels. Und dann Stimmen, Stimmen, die einen Namen riefen, aber bevor ich den gerufenen Namen verstand, hörte ich meinen eigenen. Ich glaubte, die Augen schon lange offen zu haben, der Himmel war so real, genauso wie der Fels. Aber das schien ein Irrtum gewesen zu sein. Denn auf einmal sah ich Sebastian mit besorgter Miene über mich gebeugt. Aber als Sebastian dann die Sicht auf den Hintergrund wieder freigab, da sah ich den Fels. Ich lag direkt darunter.“
    „Und was denkst du jetzt? Dass du schon einmal hier warst? Meinst du, das war eine vergrabene Erinnerung, die durch die äusseren Umstände plötzlich wieder an die Oberfläche kam? Eine Art Déjà-vu?“
    Genau deswegen war er der richtige Ansprechpartner. Erleichtert liess sich Leonie an die Anrichte in ihrem Rücken sinken. „Ich habe sogar Verena angerufen. Sie behauptet aber steif und fest, ich wäre noch nie hier gewesen .“
    „Kannst du ungefähr einschätzen, wie alt das Mädchen auf dem Berg gewesen ist?“
    „Ich denke, sie war etwa drei oder vier Jahre alt. Warum?“
    „Gehen wir davon aus, dass du dich selbst gesehen hast, dann wäre diese r Vorfall ungefähr im Jahre 1985 oder 1986 gewesen. Gehen wir weiter davon aus, dass es ein schwerer Unfall war, dann gibt es vielleicht einen Zeitungsbericht darüber oder ein älterer Dorfbewohner weiss noch etwas und möchte das Wissen an den Mann bringen. Manche alte Damen sind und bleiben nun einmal sehr geschwätzig.“
    „Sören, das ist wirklich lieb von dir, dass du die ganze Sache so ernst nimmst, aber die Erfolgschancen stehen bei ungefähr minus einhundert Prozent!“
    „Und wenn schon! Ich habe nichts Besseres zu tun und was kostet es, kurz nachzufragen? Vielleicht fördert es nur ein paar tolle Dorfmythen zutage, aber du kannst wenigstens behaupten, etwas unternommen zu haben und kannst die Sache dann möglicherweise mit gutem Gewissen ad acta legen.“
    „Seitdem ich das erste Mal ein Mickey Mouse - Heft in Händen hielt, wollte ich Detektivin werden. Also , was soll’s? Versuchen wir unser Glück. Schaden kann es schliesslich auch nicht!“
    „Wunderbar! Genau das ist meine Leonie.“
    Auf diesen Kommentar hin musste Leonie lachen, weshalb das verächtliche Schnauben des in H örweite stehenden Sebastian nicht bis zu ihren Ohren vordrang.
     
     

1986
     
    Ohne auch nur das geringste Wort gesagt zu haben, hatte Verena den Frühstückstisch gedeckt, ihn wieder abgeräumt und sich bereit gemacht, einen neuen Tag auf der Piste in Angriff zu nehmen. Sie half Leonie noch beim Anziehen, schnappte sich das ganze Material und stakste mit der Kleinen an der Hand davon. Marc liess sie stehen. Da dieser allerdings nicht vorhatte sich so leicht abschütteln zu lassen , machte er sich

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