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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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ebenfalls bereit und eilte hinterher. Frei nach dem Motto: ‚W enn sie nichts sagt, kann ich tun , was ich für richtig halte’ . Und er hielt es nun einmal für richtig, mit seiner Familie Ski zu fahren. Ganz abgesehen davon, dass er das Skibillett bezahlen musste. Siegessicher trottete er hinterher.
    Doch entgegen seiner Annahme spazierten Leonie und ihre Mutter einfach seelenruhig in die Gondelstation, schnurstracks an der Kasse vorbei. Noch bevor er sich wundern konnte, kam die Erinnerung zurück. Er hatte tags zuvor Wochenkarten gekauft. Leise fluchend eilte er den beiden nach, in der Hoffnung, wenigstens noch dieselbe Gondel zu erwischen. Etwas ungelenk und nach wie vor mit hämmerndem Schädel schaffte er es schliesslich im letzten Augenblick, bevor sich die Türen schlossen, den freien Platz neben seiner Frau zu ergattern.
    Diese hatte ihn kommen hören, noch bevor sie ihn sah. Ein Blick zurück reichte aus, um ihren Verdacht zu bestätigen. Marc hatte einem Wirbelsturm gleich eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Rote Köpfe, laute Flüche und unsittliche Gebärden liessen Verena froh sein, dass die Gondel die Station verliess, ohne dass sich jemand auf sie gestürzt hat te . Beschämt und inständig hoffend, keinen der Leute auf der Piste anzutreffen, löste sie ihren Blick von de m immer kleiner werdenden g rau braun en Gebäude und richtete ihn demonstrativ auf das stolze , in unschuldigem Weiss schillernde Alpenmassiv. Um den atemberaubenden Anblick richtig wahrnehmen, geschweige denn geniessen zu können, war sie aber zu aufgewühlt. Was sollte sie nur tun? Ihm verzeihen? Das kam nicht in Frage. Zuerst riskiert e er ihre Tochter, dann streunt e er herum und besoff sich, anstatt nach Hause zu kommen und sich der Thematik zu stellen wie ein Mann , und jetzt blamierte er sie auch noch mit diesem Auftritt von vorhin.
    Sie hatte ihn gesehen, wir er tags zuvor gegenüber von ihrem Balkon im Schatten eines Hauses gestanden und , genauso wie sie selbst , der Sensationsgier erlegen die Festnahme bis ins Detail in sich aufgesogen hatte . Sie war auch überzeugt davon, dass er sie gesehen hatte. Doch anstatt seiner Ehefrau nach dieser aufwühlenden Erfahrung zur Seite zu stehen, konnte sie beobachten, wie er nach dem Spektakel mit den Dorfbewohnern in den Gassen verschwand. Nein, sie war noch nicht bereit ihm einen Teil des schlechten Gewissens zu nehmen, indem sie ihr Wort an ihn richtete. Er sollte noch eine Weile leiden, zu Kreuze kriechen und dann um ihre Gnade betteln. Und an d iesen Plan hielt sie sich auch.
    Mit Leonie zwischen den Beinen bestritt sie jeden Hang, vorsichti g und mit Bedacht. Marc folgte i hnen, als wäre er an einer unsichtbaren Leine. Sie teilten sich die Lifte , aber sie sprachen kein Wort miteinander. Die einzige, die von dem Schweigen zu profitieren schien, war Leonie. Sie plauderte pausenlos über alles , was sie sah, tat oder tun wo llte. Sie stellte einen Haufen F ragen, die abwechselnd Marc oder Verena beantworteten. Verena immer darauf bedacht, nicht in eine Konversation mit ihrem Mann verwickelt zu werden, Marc unermüdlich versuchend mithilfe einiger Tricks, eben eine solche Konversation herbeizuführen . Es gelang ihm nicht. Spontan huschte ihm durch den Kopf, dass seine Frau stur war wie eine Bergziege. Diesen Gedanken bereute er aber sofort und ents chuldigte sich innerlich. Indes plauderte Leonie weiter. Auf dem Weg zum Seetalhorn entdeckte sie unter sich Spuren im Schnee.
    „Was ist das?“ Leonie deutete auf d ie kleinen Löcher, die sich in regelmässigen Abständen im Zick-Zack durch den Schnee zogen. Verena und Marc folgten ihrem Finger.
    „Da scheint ein Hase durchgehoppelt zu sein “ , g ab Marc zu Antwort.
    „Ein Hase? Friert der denn nicht ohne Schuhe?“
    Zufrieden stellte Marc fest, dass Verenas Mund zuckte, beinahe so, als würde sie sich mit Mühe ein Lächeln verkneifen. „Nein Liebes, die brauchen keine Schuhe. Die haben Fell und an ihre n Pfoten haben sie Fettpolster, damit sie die Kälte nicht spüren.“
    „Aber was e ssen die denn? Es ist doch nur Schnee da!“
    Mit dem Ende des Skilifts war dann auch der Schneehase schnell wieder vergessen. Leonie konnte es kaum erwarten sich wieder in den Schnee zu stürzen, weshalb Verena alle Mühe hatte, sie vom Lift zu schieben, sich selbst hinterher, dabei die Skistöcke zu koordinieren und dazu noch auf den Latten stehen zu bleiben. Marc fand die Situation ziemlich amüsant, da er aber keinesfalls noch

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