Wenn die Wahrheit nicht ruht
kannst Gedanken lesen. Wenn auch nur zur Hälfte.“ Sascha zwinkerte ihm fröhlich zu, während Sebastian sich überlegte, wann dieser es endlich satt haben würde, ihn mit dieser alten Geschichte aufzuziehen.
„Na dann los.“
„Ich kann nicht mitkommen. Aber ich habe Leonie angerufen. Praktischerweise ist sie bereits in Brig. Sie wird dir beim Aufladen helfen.“
„Das hat mir gerade noch gefehlt. Wenn du Angela siehst, sag ihr, ic h werde ihr das hübsche Lästermä ulchen stopfen , sobald ich zurück bin.“
Sascha gab sich keine Mühe, sich das Grinsen zu verkneifen.
„ Das ganze scheint dich ja unheimlich zu amüsieren.“
„Glaube mir, das tut es, und wie! “ Er zog den Schlüssel des blauen Lieferwagens aus seiner weissen Hose und warf ihn Sebastian zu. Wenig begeistert machte dieser sich anschliessend auf den Weg ins Tal.
Tatsächlich wartete Leonie bereits bei Pablo. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand, auf dem gross das Emblem von Ferrari prangte, lehnte sie an ein weisses Ding, das sie wahrscheinlich Auto nannte , und plauderte angeregt mit dem Chef persönlich. Sebastian konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal von Pablo einen Kaffee erhalten hatte. Er kam zum Schluss, das s die fehlende Erinnerung damit zu begründen war , noch nie einen Kaffee von Pablo angeboten erhalten zu haben . Dafür musste man wohl eine Frau sein. Typisch. Missmutig trat er dazu und schob seine Manieren beiseite. „Können wir?“
„Versuch das nächste Mal mit einer Begrüssung zu beginnen. Du wirst sehen, das kommt echt gut an.“ Leonie stiess sich von ihrem Auto ab, funkelte Sebastian wütend an, entwendete ihm den Autoschlüssel , wandte sich an Pablo und drückte ihm mit einem betörenden Lächeln die Tasse in die Finger. Dann stapfte sie an Sebastian vorbei zu der bereitstehenden Palett e .
„Wow, die mag dich.“
„Schmink dir dein Grinsen ab, Pablo, und pack mit an.“ Die beiden Männer folgten Leonie und begannen ihr beim Bel aden des Lieferwagens zu helfen, als eine zierliche Frau mit dichten schwarzen Locken und Wespentaille, die sie in einem engen , gelben Pullover zur Schau stellte, aus Pablos Büro trat. „Wusste ich doch, dass ich dich gehört habe!“ Die Schwarzhaarige trat auf Sebastian zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen einzigen Kuss auf die Wange. „Na, mein Schöner, wie geht es dir?“
„Seit du aufgetaucht bist, ganz hervorragend.“ Sebastian schien wie ausgewechselt . Mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen, das den Riedgletscher noch schneller schmelzen liess , legte er locker den Arm um die kleine Schwarzhaarige . Sie wiederum schlang ihre Arme um Sebastian und bezirzte ihn mit dem Schlag ihrer vollen schwarzen Wimpern. Sie wirkten wie zwei frisch Verliebte .
So hatte Leonie ihn noch nie erlebt. Dieser spielerisch vertraute Umgang löste in ihr etwas aus, das sie nicht zuordnen konnte. „Sag mal, haben die was miteinander?“
Pablo folgte Leonies Blick und musste lächeln. „ Zum Glück nicht mehr. Das ist schon lange her . Die Funken fliegen zwar heute noch, aber sie sind soweit abgekühlt, dass es nur noch ein freundschaftliches Spiel ist. Vor allem, um mich zu ärgern. Das da ist nämlich meine kleine Schwester und die beiden wissen genau, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn einer meiner Schwester zu nahe kommt . “
„ Das wird ihn wohl kaum abhalten “, murmelte Leonie vor sich hin und hievte ein weiteres Packet in den Lieferwagen. Etwas lauter fügte sie dann an: „Aber wir sind sowieso nicht hier um zu flirten, sondern um zu arbeiten.“
Sebastian und die kleine Schwarzhaarige sahen gleichzeitig zu Leonie.
„Du hast es gehört.“ Mit einem bedauernden Ausdruck in den Augen liess die Frau ihn los, aber nicht, ohne ihm einen Abschiedskuss zu geben .
„Bis zum nächsten Mal, mein Schöner.“ Damit wandte sich die Frau ab, schaute noch einmal zu Leonie hinüber und verschwand wieder in Pablos Büro.
„Deine Schwester ist immer noch ziemlich heiss. Vielleicht sollte ich sie doch noch einmal ausführen.“ Sebastian quittierte Pablos vernichtenden Blick mit einem frechen Grinsen. Dann machte n sich beide wieder daran, Leonie unter die Arme zu greifen, die bemüht war, den Anflug von Neid auf Pablos kleine Schwester zu ignorieren .
Es dauerte nicht lange, bis die letzte Flasche ihren Platz gefunden hatte und Sebastian die Türen des Wagens schliessen konnte.
„Na dann“, Sebastian drückte Pablo die Hand,
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