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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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Blick in den Spiegel neben der kleinen Garderobe und erschrak ein wenig vor sich selbst. Entschlossen, nach ihrer Mutter im Bad zu verschwinden und ihrem Aussehen die nötige erste Hilfe zukommen zu lassen, nahm sie sich die Zeitung, die neben den Croissants und Brötchen auf dem Tablett lag und setzte sich zurück aufs Bett. D a es sich um das l okale Blatt handelte, erwartete Leonie nicht gerade viel, zur Zeitüberbrückung würde es aber allemal reichen. Doch bereits beim Anblick der Schlagzeile, wurde sie eine s B esseren belehrt. In grossen , schwarzen Lettern prangte die Schlagzeile:
     
    ‚Grächen im Blutrausch?’
    Grausiger Fund in Gletscherspalte: Wer hat die beiden Männer ermordet?
     
    Interessiert begann Leonie zu lesen. Als Verena aus dem Badezimmer trat und sie ansprach, schaute sie nicht einmal auf.
    „Wenn du schon nicht ans Schlafen denkst, vielleicht möchtest du dich ein wenig frisch machen?“
    Ungeduldig winkte Leonie ab, las noch die Zeile, nicht aber den Artikel fertig, warf die Zeitung achtlos aufs Bett und verschwand ebenf alls in dem kleinen Badezimmer. Wie beiläufig schielte Verena auf den Artikel, in den Leonie eben noch so vertieft gewesen war. Beim Anblick der Schlagzeile biss sie sich auf die Lippen. „Sag mal, dieser Zeitungsartikel muss ja mächtig interessant gewesen sein. Was stand den n da drin?“
    Ihr langes Haar mit der Bürste quälend , trat Leonie aus dem Badezimmer, um besser gehört zu werden. „Offenbar hat der Riedgletscher zwei männliche Leichen freigegeben, die eine unglückliche Begegnung mit einem Messer hatten. Gruselig , nicht wahr?“ Ein breites Grinsen zierte Leonies Gesicht.
    Verena hingegen erbleichte, was allerdings nicht weiter auffiel, da sie dank des Make-ups sowieso stets denselben Teint hatte .
     
    Der kurze Besuch auf dem ehemaligen Hof ihrer Grosseltern war zu einer überraschend entspannenden Abwechslung geworden . D as war nicht zuletzt der frischen Apfelwähe von Frau Graber und den jungen Katzen zu verdanken .
    So liess sich auch der Stich , den Verena verspürte, als Leonie die beiden Kisten mit den übriggebliebenen Habseligkeiten ihres Vaters unter jeweils einen Arm p ackte, etwas besser wegstecken.
    Zurück in Grächen hatte sich Verena vor ihrem Hotel aus Ovalium geschält und Leonie verkroch sich nun mi t den beiden Schachteln in ihrer eigenen Unterkunft .
    Als erstes nahm sie sich den Karton vor, in dem die Dinge waren, die ihre Mutter hineingepackt hatte. Sie hoffte, wenigsten s ein bisschen von der Persönlichkeit ihres Vaters fassen zu können, bevor sie sich über die trockenen Fakten, die sie in der anderen Kiste vermutete , hermachte. Schon beim Abheben des Deckels grinste ihr ein derart freundliches und irgendwie vertrautes Augenpaar entgegen, dass sie schwer s chlucken musste, bevor sie die nötige Ruhe zum Weitermachen zurückgewonnen hatte. Unter dem Foto kamen einige Schriftstücke zum Vorschein, die sich als Briefe von allerlei Menschen entpuppten, Postkarten, Urkunden, Abzeichen , und schliesslich tauchten zwischen einer Pfeife und einem Amethysten in Form eines Elefanten noch mehr Fotos und auch Kinderzeichnungen auf. Die mühsam bewahrte Beherrschung begann nach und nach zu bröckeln, als sie die glücklichen Gesichter auf all den Fotos wiedererkannte. Vollständig von einem Tränenschleier w eggeschwemmt wurde sie bei genauer Betrachtung eines Polaroids , das einen gutaussehenden Mann, eine gestylte Blondine und ein frech grinsendes Mädchen in Skianzügen zeigte. D ie Ski steckten neben ihnen im Schnee und im Hintergrund konnte Leonie deutlich die Station der Hannigalpbahn erkennen. Das plötzliche Klingeln des Hoteltelefons riss sie derart abrupt aus ihren Gedanken, dass sie zusammenzuckte. Sich unwirsch über die Wangen wischend, um die unerwünschten Tränen zu trocknen, raffte sie sich auf und hob den Hörer von der Gabel.
    „Leonie?“ , fragte die freundliche Stimme der österreichischen Rezeptionistin, mit der sie sich bald nach ihrer Ankunft angefreundet hatte. „Ein ziemlich gutaussehender Typ hat nach dir gefragt. Er erwartet dich im Restaurant. Kommst du runter? Wenn nicht, übernehm’ ich ihn gerne für dich. “
    Etwas verstört sortierte Leonie ihre Gedanken. Eigentlich hatte sie keine Lust auf Besuch, entschied sich dann aber doch, einen kurzen Blick zu riskieren. Sie liess die Rezeptionistin den Entscheid wissen, legte auf und eilte ins Bad. Nach einem raschen Blick in den Spiegel fragte sie sich,

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