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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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hätten ihm nichts bedeutet?“
    „Weil ich mir genau das eingeredet habe. So war es für mich einfacher, so konnte ich auf etwas wütend sein. Auf Gott wütend zu sein war mir zu weni g greifbar. Für mich lag es auf der Hand, dass auch du besser damit umgehen kannst, wenn ich dich glauben lasse, er hätte uns verlassen, ohne die Art und Weise genauer zu begründen. Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass der Hintergrund seines Verschwindens für dich wichtig sein könnte. Nun, da dir aber deine eigenen Erinnerungen das Leben schwer zu machen beginnen, habe ich keinen Ausweg mehr gesehen, auss er der vollen Wahrheit. Und weiss t du, auf wen ich noch wütend bin?“
    Kopfschüttelnd sah Leonie auf.
    „ Auf das Volk hier und d iesen Skifahrer. Er hat einfach weitergelebt, als wäre nichts gewesen und was haben die Leute hier getan? Nichts! Es war ihnen egal! Für sie zählte nicht die Frage, wer meinen Ehemann auf dem Gewissen hat, sondern ob ein solcher Unfall für das im Touris mus geschäft aufstrebende Grächen einen Imageschaden bedeuten könnte . Eigentlich habe ich nie wieder hierher zurückkehren wollen . Tja, so kann man sich irren.“
    Verena erhob sich von ihrem Barhocker und klemmte sich die Handtasche unter den Arm. „Ich werde jetzt gehen und dich in Ruhe lassen. Sicherheitshalber habe ich mir ein Zimmer genommen. Du kannst mich also erreichen, wenn du möchtest. Jetzt allerdings, glaube ich, lasse ich dir etwas Zeit, damit sich alles setzen kann.“
    Ohne sich noch einmal umzusehen verliess Verena die Bar. Niedergeschlagen blieb Leonie auf ihrem Stuhl sitzen. Erst , als sie plötzlich ein Wasserglas vor der Nase hatte, sah sie auf und blickte Sebastian direkt in d ie Augen. Dieser legte nur kurz seine Hand auf die I hre und wandte sich wieder ab. Aber Leonie war schneller. „Warte. Könntest du…“ Sie suchte nach Worten. „Würdest du mit mir irgendwo hingehen? Einfach ein bisschen… raus?“
    „Leonie, ich weiss nicht, ob das jetzt das R ichtige ist.“
    Verständnislos starrte sie ihn an. Dann begriff sie. „Nein! Ich, du, nein! Das meine ich nicht. Ach, ist schon gut. Vergiss es.“
    „ Bitte e ntschuldige. Ich habe euch zufällig … “, er wog zwischen der Wahrheit und einer dürftigen Lüge ab, „ … belauscht. Ich habe euch belauscht. Und ich dachte, du müsstest dich nach allem , was du gehört hast , abreagieren und irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass du dazu w eniger einen Boxsack, als, nun, sagen wir, Bettsport bevorzugst. Das kl ingt lächerlich, tut mir leid.“
    Er fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes Haar , sah zu Boden und sammelte sich neu. Dann schaute er sie wieder an. S ah, wie sie wie ein Häufchen Elend auf dem Barhocker sass , und kam sich selbst dumm vor, sie erneut als derart oberflächlich abgestempelt zu haben. Also wagte er einen neuen Anlauf. „ Möchtest du spazieren gehen?“
    Dank bar rang sich Leonie ein Lächeln ab , das mehr in einer Grimasse endete . „Gerne.“
    Ungeachtet dessen, dass die Bar noch lange nicht bereit war, geschlossen zu werden, holte Sebastian die Jacken und trat mit Leonie hinaus in die vom weissen Schnee erhellte Nacht.
     
    Angela bearbeitete mit einem Geschirrtuch einige Gläser, während Sascha die Bar abwischte und sich so unauffällig zu Angela vorarbeitete. „ Hast du das auch g e sehen ?“
    „Oh ja. Sascha?“ Er blickte auf. „Du bist ein Genie.“
     
     

1986
     
    Zufrieden mit sich selbst liess sich Moritz in seinen grossen , dunkelbraunen Sessel sinken, schwenkte den teuren Cognac in dem bauchigen Glas und grinste vor sich hin, als flüstere ihm jemand einen Witz ins Ohr . Träge trank er einen grossen Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit, lehnte sich entspannt in seine m Sessel zurück und genoss den Geschmack und die anschliessende wohlige Wärme des Alkohols. Mit geschlossenen Augen liess er sich langsam einlullen und v on seinen Gedanken davontragen.
    Das Knarren und Knacken des alten Holzhauses wirkte so beruhigend wie eine klassische Symphonie, an deren Töne er sich schon lange gewöhnt hatte und sie desh alb kaum mehr bewusst wahrnahm. So hatte er auch nicht be merkt, wie das Schloss der Hintertür mit einem leisen Klacken nachgegeben und die Tür selbst qui etschend den Widerstand aufgegeben hatte . Auch der Schatten, der sich eilig in eine dunkle Ecke drückte, als Moritz aus dem Korridor in sein Wohnzimmer getreten war und dort das Licht anknipste, war ihm entgangen . Beim Öffnen der

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