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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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die knochige Gestalt einer grossen , brünetten Frau sichtbar wurde, die jeden weiteren Blick in das Hausinnere mit ihrem hageren Körper versperrte.
    Leonie musterte die Frau und sofort schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie sich anstelle von Haarfärbungsmittel eine bessere Ernährung leisten sollte.
    „Guten Tag. Wäre vielleicht Herr Hans Zumbrunn zu sprechen ?“ Leonie hatte ihr gewinnen d stes Lächeln aufgesetzt, aber die Frau in der Tür schien immun oder ihrer Lachmuskeln beraubt. Schlaf f und regungslos hingen die Wangen am Gesicht und eilten der Schwerkraft folgend in Richtung der Erde. Die Frage, ob zuerst die Wangen dort ankommen würden, oder ob die Mundwinkel das Rennen doch noch gewannen, schwirrte in Leonies Kopf herum .
    „Ich weiss nicht, wen Sie meinen.“
    Im ersten Augenblick war Leonie irritiert, aber weniger darüber, dass die Frau den genannten Namen nicht zu kennen behauptete, sondern mehr über die Tatsache, dass das Gesicht der Frau sich, obwohl sie sprach, keinen Millimeter bewegt e .
    „Oh. Nun, das ist seltsam. Ich bin auf der Suche nach dem ehemaligen Gemeindepräsidenten Hans Zumbrunn. Gemäss Information des Tourismusbüros soll er hier wohnen.“
    „Tut er nicht.“
    „Mhm. Sie wissen nicht zufällig, wo sich der Mann, der in den Jahren 1983 bis sicherlich 1986 hier der Gemeindepräsident war, jetzt aufhält?“
    „Nein.“
    Wieder der Vorhang. Diesmal sah Leonie nicht hin. Das war auch nicht nötig. Sie war sich sicher, dass er sich bewegt hatte. Genauso sicher wie sie sich war, dass sie an dieser Stelle nicht weiterkam. „Ja, also, wenn das so ist, dann entschuldigen Sie bitte die Störung. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch.“
    Die Tür fiel direkt vor Leonies Nase ins Schloss .
     
     

1986
     
    Den Tränenschleier angestrengt wegblinzelnd trat Alina auf die Strasse . Niemand sollte merken, dass i n ihrem Innern ein wilder Orkan tobte, dessen einziges Ziel es war, ihr Herz und alle darin verschlossenen Hoff nungen in einem wilden Wirbel fortzureissen, um schliesslich nur noch blinde Verzweif lung und Chaos zu hinterlassen.
    Möglichst unauffällig wollte sie sich in die Einsamkeit flüchten. Sie musste unbedingt ihre Fassung und ihre Selbstbeherrschung zurückgewinnen. Vorher konnte sie es nicht ris kieren, anderen Menschen unter die Augen zu treten. Schon gar nicht ihrem Ehemann.
    Sich immer wieder verstohlen umsehend huschte sie durch die schmalen Gassen . Sie wollte nach Hause . Dort sollte sie ungestört sein. Das wusste sie, weil sie am Abend zuvor ein Gespräch zwischen ihrem Vater und ihrem Ehemann belauscht hatte. Nur so hatte sie herausfinden können, wann der richtige Zeitpunkt kommen würde, um Ambros aufzusuchen.
    Um das Risiko möglichst gering zu halten, Vater und Ehemann doch noch in die Arme zu laufen, hätte Alina die Talstation der Hannigalpbahn weitläufig umgehen sollen. Der Drang, nach Hause zu kommen , war dann aber doch so stark, dass sie entgegen aller Vernunft den direkten Weg ansteuerte. Als sie sich der Station näherte, verlangsamte sie ihren Schritt . Ihre Angst, entdeckt zu werden, liess den Adrenalinspiegel in die Höhe schnellen , womit der ganze innere Aufruhr wenigstens für diesen Augenblick vergessen war.
    Im Schutz der Gasse drückte sie sich an die Mauer eines Chalets , streckte vorsichtig den Kopf aus dem Schutz des Schattens und versuchte zu erkennen, ob Jan und Hans auf dem Platz waren. Doch es war alles ruhig . Irgendwie zu ruhig . Keine rege Betriebsamkeit, kein Trubel von Abenteuerlu stigen, kein Surren und Klacken beim Verlassen u nd Eintreffen der Kabinen.
    Es dauerte eine Weile, bis Alina begriff, was der Grund dafür war. Die Bahn stand still. Das hatte es seit ihrer Eröffnung nicht gegeben. Neugierig geworden vergass Alina ihre Vorsicht und verliess den schützenden Schatten. Sie begab sich auf den Platz und bewegte sich zögerlich a uf das erhabene Gebäude zu.
    An den Türen prangte ein h andgeschriebenes Stück Papier: ‚ Liebe Fahrgäste, aufgrund eines technischen Defekts bleibt die Bahn bis auf Weiteres leider geschlossen. Wir bitt en Sie um Verständnis.’
    Alina rüttelte dennoch an der Tür. Doch diese blieb wie vermutet g eschlossen. Also schlich sie die eine Seite des Gebäudes entlang, um an die dem Berg zugewandte Öffnung zu gelangen. Noch bevor sie allerdings ihr Ziel erreichte, hörte sie auf einmal sich nähernde Stimmen. Schnell stiess sie sich von der Wand ab und huschte zu einer

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