Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
Vom Netzwerk:
Waschkessel stand in der einen Ecke, während in der anderen ein Militär fahr rad vor sich hin rostete. Zaumzeug aus längst vergangene n Zeiten hing an der Wand und dazwischen standen drei massive Bauernschränke, bemalt mit wunderschönen Blumenmustern und Vögeln.
    Leonie wusste nicht, was sie eigentlich suchte, geschweige denn, was sie erwartet hatte. Also zog sie einfach die erstbeste Schranktür auf . Jeder Regalboden war über und über mit Papieren bedeckt. Zwischen den Papieren standen einige blaue Bundesordner, deren Beschriftung en beinahe bis zur Unleserlichkeit verblichen war en . Doch bei genauerem Hinsehen liess sich feststellen, dass es sich bei den Ordneranschriften um Zahlen handeln musste.
    Neugierig trat Leonie näher an die Regale heran und zog zuerst wahllos eines der losen Papiere vom Stapel neben den Ordnern. Auf dem Kopf des Durchschlagpapiers war noch schwach ein Teil eines Logos zu erkennen. Darunter stand in gedruckten Lettern das Wort ‚Quittung’. Leonie zog weitere Papiere von der Ablage und schliesslich öffne te sie auch den Ordne r , auf dem schwach die Zahl 84 zu erkennen war.
    Je mehr Unterlagen sie durchblätterte, d esto mehr kam sie ins Grübeln. Immer weiter blätterte sie die Dokumente durch, ihr e Stirn stärker und stärker in Falten gelegt . Sie vertiefte sich sosehr in ihre Lektüre, dass sie beinahe vergass, wo sie sich befand. Bis plötzlich leises Gemurmel an ihr Ohr drang . Beinahe hätte sie vor Schreck den Ordner fallen gelassen.
    Konzentriert starrte sie ins L eere und lauschte angestrengt. Anfangs schienen die Stimmen in einiger Entfernung zu sein, doch sie kamen deutlich näher. Die Unterhaltung wurde leise geführt, so dass Leonie die Worte auch dann nicht verstehen konnte, als sie die Personen zu den Stimmen direkt über sich wähnte. Instinktiv blickte sie in die Richtung, aus der sie die Geräusche vermutete und wog mit ängstlich hämmerndem Herzen ab, was zu tun war. Sollte sie die Flucht wagen und Gefahr laufen, dass die Menschen über ihr sie aus dem Fen ster klettern sahen , oder war es klüger, auszuharren und zu hoffen , dass sie mitbekam, wie die L eute den Raum wieder verliessen? Wo würden sie allerdings stattdessen hingehen? In ein anderes Zimmer mit wunderbarer Sicht auf ihren Versuch sich davonzustehlen? Oder würden sie gar auf die Idee kommen, das alte Militär fahr rad aus dem Keller zu holen , wobei sie dann wohl auch entdeckt würde ?
    Plötzlich verebbte die Unterhaltung im oberen Stockwerk. Nur noch ein ganz kurzer Wortwechsel war zu vernehmen , dessen Stimm en gewalt in keiner Weise dem vorherigen Gespräch glich . Die ganze Aufregung war verflogen. Auf einmal lag eine Ruhe in der Luft, die so erdrückend wirkte, wie ein schwerer Duft.
    Die plötzliche Stille holte Leonie genauso effektiv aus ihren Gedanken wie donnernder Lärm. Alarmiert horchte sie auf. Dann plötzlich ein dumpfes Geräusch, gleich darauf ein leises Aufstöhnen. Leonie strengte ihr Gehör noch etwas mehr an, da stürzte etwas so laut polternd auf die Dielen direkt über ihr, dass der Boden zu erzittern schien. Weder auf die Lautstärke gefasst noch auf die Nähe des Lärms, fuhr Leonie derart zusammen, dass sie sich auf dem Boden hockend, den Ordner schützend über ihren Kopf haltend wiederfand. Dann ging alles ganz schnell. Die Angst entdeckt zu werden wich einem ungestümen Drang zu flüchten.
    Al s wäre ein Startschuss gefallen, preschte Leonie nach vorne, stürzte zu m Fenster und riss es mit der einen Hand weit auf, während sie mit der anderen bereit s den Ordner auf den Rasen warf und diesem dann auch eiligst folgte. Draussen angekommen nahm sie ihre Beute fest in die Arme und die Beine in die Hand.
     
    Als Leonie in die Nähe des Dorfplatzes kam , zügelte sie ihr Tempo und konzentrierte sich auf ihre Atmung, die sich nach und nach wieder etwas beruhigt e . Bemüht, möglichst natürlich zu wirken und nicht so, als käme sie von einem Einbruch , schlenderte sie , den Ordner lässig unter dem Arm , an den letzten Häusern vorbei, bevor sich die Strasse zu m hübschen Platz mit Blick auf die Kirche öffnete. Dort war die übliche , gemächliche Geschäftigkeit, ausgelöst durch die an- und wegfahrenden Autos , einer ungewöhnlichen Aufregung gewichen. Erstaunt registrierte Leonie eine beinahe elektrisierende Unruhe. Aussergewöhnlich viele Menschen standen auf dem Platz herum und sprachen aufgeregt, aber dennoch in gedämpfter Tonlage, ja beinahe ehrfürchtig

Weitere Kostenlose Bücher