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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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die zu schmalen Schlitzen verengten Augen ging, durch den Raum schweifen und entdeckte den wahren Grund für das vorangegangene Scheppern und Klirren. Vier leere Weissweinflaschen lagen auf dem Boden, daneben ein zerbrochenes Glas. Er nahm die Unordnung zur Kenntnis, versuchte sich gar nicht erst zu erinnern und schlurfte schliesslich zur Tür, die er vorsichtig einen Spaltbreit öffnete. Beim Anblick des Menschen, der davor stand und sich die Fäuste wund schlug, blieb ihm fast das Herz stehen.
    „Lässt du mich rein?“
    Immer noch dieselbe süsse Stimme. Es brach ihm das Herz, aber er öffnete. „Was willst du hier?“
    „Ich habe gehört, dass du wieder hier bist .“
    „Wie hast du mich gefunden?“
    „Das war nicht weiter schwer. Du bist in aller Munde, nach deinem kleinen Disput mit Hans.“
    Stimmt, es hatte tatsächlich einen Streit gegeben . Die Erinnerung war zwar nur verschwommen, reichte aber aus, um die Geschichte mit dem Tablett als einfachen Traum zu entlarven. „Und was sagt dein lieber Herr Papa dazu, dass du hier bist?“
    „Nichts. Er weiss es nicht.“
    „ Alina , ich…“ Unbeholfen fuhr sich Ambros durch das struppige Haar.
    „Ambros, bitte.. .“ Die unschuldigen grauen Augen blickten traurig, während die zierlichen Hände sich ineinander knoteten, weil die zerbrechlich wirkende Frau nicht wusste, wohin damit. Betretenes Schweigen erfüllte den Raum. „Es tut mir alles so leid.“
    Erst jetzt entdeckte Ambros den filigranen Goldring an der Hand seines Gegenübers. Ergriffen von einer Mischung aus Verbitterung, Trauer und Wut, richtete er sich zu seiner vollen Grösse auf. Jeder Schatten der letzten Nacht wich aus seinen Augen. Sein Blick war nun klar, nüchtern und vor allem kalt , genauso kalt , wie seine Stimme klang . „Warum bist du hier?“
    Eingeschüchtert von dieser Veränderung schreckte Alina zurück. Aber nur kurz. „Ich möchte dich bitten zu gehen.“
    Das brachte Amb ros wiederum aus der Fassung. „ Du willst was?“
    „Ich will, dass du gehst. Du hättest überhaupt nicht mehr zurückkehren sollen. Mein Vater hatte Recht , solang e du weg warst, geschah nichts A ussergewöhnliches . Doch k urz nachdem du aus dem Gefängnis entlassen wurdest, kam wieder jemand ums Leben. Es liegt doch auf der Hand, dass die Leute diese Geschehnisse dann offen oder auch insgeheim dir in die Schuhe schieben. “ Alina war nicht in der Lage zu verbergen, wie sehr ihr ihre nächsten Worte zusetzte n . „Ambros, du wirst hier nicht den gewünschten Frieden finden und das Dorf kann es auch nicht, solange du hier bist.“
    „Was ist mit dir?“
    Nicht sicher, worauf er mit dieser Frage hinauswollte, hakte Alina noch einmal nach, in der Hoffnung, ihr Herz würde die Zerreissprobe überstehen. „Was meinst du?“
    „Glaubst du auch, dass ich etwas damit zu tun habe?“
    Um ihre Enttäuschung darüber zu verbergen, dass er nicht nach ihren wahren Gefühlen , sondern nach ihrer Ansicht fragte, senkte sie den Blick. „Ja. Ja, ich glaube, dass du etwas damit zu tun hast, wenn es dir so leichter fällt , diesem Ort für immer den Rücken zu kehren.“ Sie wusste, dass ihre Gefühle und diese Äusserung weder Ambros gegenüber, noch ihrem Ehemann gegenüber fair waren, aber sie musste es einfach wissen. Sie musste wissen, ob ein Rest der verbotenen Gefühle vo n damals in ihm übrig geblieben war . Sie brauchte das, um weitermachen zu können .
    Mit seiner Reaktion übertraf er ihre Vorstellungen dann aber bei weitem . Wie ein Tier in die Enge getrieben, kochte die Wut in ihm hoch. Bevor sein Verstand begriff, hatte er bereits gehandelt. Er gab seinem drängenden Bedürfnis nach, überwand die letzte Distanz und packte Alina an den Schultern. Doch anstatt sie zu küssen, wie er es so gerne getan hätte, schüttelte er sie heftig. „ Alina , warum tust du das?“
    Entsetzt riss sie die Augen auf. „Hör auf! Du tust mir weh!“
    „Ich tu dir weh? Und was ist mit mir? Nur drei Monate lang sitze ich im Gefängnis und versuche in dieser Zeit einen Weg zu finden, deinen Vater zu umgehen , um mit dir zusammen sein zu können . Doch dann muss ich feststellen, dass du dich anstatt zu kämpfen , einfach einem anderen hingegeben hast, mich wegschickst, aber trotzdem herausfinden willst, ob mir noch etwas an dir liegt . U nd dann wagst du zu behaupten, ich würde dir weh tun? Wahrscheinlich ist es Hans, der mir in seinem Wahn, mich von dir fernzuhalten , all das anhängen will! “
    „Hör auf!

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