Wenn die Wahrheit nicht ruht
auf einmal ein dumpfes Geräusch und dann ein Stöhnen. Dann bin ich abgehauen.“
„ Willst du damit etwa andeuten, dass ihn die Schwester seiner Frau um die Ecke brachte ?“ Sörens Grinsen wurde immer breiter. Er genoss sichtlich die Vorstellung in einem waschechten Krimi mitzuspielen.
„Das, oder es war noch jemand anderes im Haus, von dem wir bisher nichts wissen. Aber fest steht, zum Zeitpunkt seines Todes , war noch jemand bei ihm.“
Sebastian glaubte seinen Ohren nicht mehr trauen zu können. „Leonie, wenn das, was du hier sagst, wahr ist, dann müssen wir das melden!“
„Ja, aber klar.“ Leonie zauberte d en ironischsten Tonfall aus ihrem Repertoir e hervor , um zu unterstreichen, dass sie nichts von dem Vorschlag hielt. „Stell dir das doch bitte vor. Eine wildfremde Saisonarbeiterin spaziert bei der Polizei rein, erzähl t denen eine abenteuerliche Geschichte über eine Verschwörung, die bereits vor über 20 Jahren ihren Anfang genommen haben soll und jetzt, nach etlichen Jahren Pause, fortgesetzt wird. Bisher traurigster Höhep unkt dieser Fortsetzung: Der Tod von Hans Zumbrunn, einem bedeutenden, ehrenwerten, allseits geachteten Mitglied der Gemeinde. Nehme ich zumindest an, so betroffen, wie alle über die Nachricht seines Todes sind. Habe ich B eweise? Nein. Woher ich das wissen will? Nun, ich bin gerade eben mal kurz in sein Haus eingestiegen. Bin ich durchgeknallt? Wahrscheinlich.“
„Aber was willst du sonst tun?“ Eigentlich ahnte Sebastian die Antwort bereits. Der Blick in Leonies grüne Augen bestätigte seine Vermutung. Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung ruhig zu bleiben. Entsprechend presste er die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Das k ann unmöglich dein Ernst sein. “
„ Egal, wie sich sein Ableben gestaltet hat, jetzt ist der beste Zeitpunkt, sich den Ort des Geschehens anzusehen, denn je mehr Zeit verstreicht, desto mehr wird er verändert und verfälscht. “
„Irgendwie habe ich etwas verpasst. Worum genau geht es ge rade?“ Fragend schaute Sören vom einen zur anderen. Aber Sebastian und Leonie schienen derart vertieft, dass sie Sörens Einwand nicht weiter beachteten.
„Sebastian, du warst nicht dort. Die Frau hat um jeden Preis versucht, Hans’ Anwesenheit vor mir zu verbergen. Aber warum?“
„ Weil sie etwas verheimlicht. Nur was? “
„Aber jetz t ist er doch tot, weshalb noch ein Geheimnis hüten ?“ , unterbrach Sören die beiden erneut. Diesmal hörten sie hin.
„Genau das gilt es herauszufinden.“
„Du willst nochmal i n das Haus? “ Leonies entschlossener Blick reichte Sören als Antwort. „ Und wenn noch jemand dort ist? Zum Beispiel um die Schwägerin zu trösten?“
Dieser Einwand zerstörte Sebastian, wenn auch widerwillig. „Die Polizei ist im Haus fertig. Die beiden diensthabenden Polizisten haben sich vorhin an der Menge vorbei geschlichen, um keine lästigen Fragen beantworten zu müssen. Ansonsten vertraut sich die Schwägerin seit jeher nur dem Pfarrer an. “
Sören blickte automatisch auf die Kirche, in deren Schatten sie standen. „Ein Pfarre r und eine gottesfürchtige Frau. Na dann, n ichts wie los! “ Ohne weiter zu zögern wandte sich Sören zum Gehen, was Leonie erst verdutzt, dann erfreut zur Kenntnis nahm. Bevor sie sich allerdings in Bewegung setzte, schaute sie Sebastian flehend an.
Er sah sie einen Moment lang an. Dann antwortete er: „Ich werde jetzt zur Arbeit gehen. Was du vor hast weiss ich nicht. “
Erl eichtert nickte Leonie kurz , dann packte sie Sören an der Hand . Er konnte gerade noch das Handy in der Innentasche der Jacke verschwinden lassne , als sie mit ihm in die Richtung davoneilte, aus der sie gekommen war .
Während der Dorfplatz sich langsam wieder leerte und die Menschen ihrer eigentlichen Beschäftigung nachgingen, surrte auf einem hübschen , mit Schnitzereien verzierten Nachttisch ein kleines , graues Mobiltelefon. Begleitet von einem v erschlafen en Aufstöhnen tastete sich eine schlanke Hand unter der Bet tdecke hervor und griff danach. In dem sonst dunklen Zimmer schimmerte der goldene Ring sanft im Schein des leuchtenden Displays. Schnell umschlossen die Finger das erneut surrende Telefon, zogen es unter die Bettdecke und öffneten flink die Ursache des Lärms. Auf dem Bildschirm erschienen nur wenige Worte:
S. im Auge behalten, könnte zur Bedrohung werden.
In Windeseile stoben die Fingerkuppen über die virtuellen Tasten des
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