Wenn die Wahrheit nicht ruht
die entsprechende Richtung. Kurz dachte sie, sie wäre die einzige, die es bemerkt hatte, doch gleich auf die Bewegung folgte ein Geräusch. In der Hoffnung, die Veränderung der Situa tion schneller erfasst zu haben als die anderen begann sie sich wild gegen den eisernen Griff ihres Ehema nnes zu wehren. Mit dem ganzen Körper zerrte und riss sie, so dass Jan nicht umhin kam, sie um die Taille zu packen, wenn sie ihm nicht entgleiten sollte. Daraufhin liess es sich Alina nicht nehmen, laut zu schreien. Ihr Kampf hatte die gewünschte Wirkung. Alles schaute nur auf sie, auch ihr Vater.
„Lass mich los!“ Es kam ihr vor, als würde sie neben sich stehen. Sie dachte nicht nach, spürte keine Anstrengung, fürchtete keine Folgen. Sie funktionierte einfach nur. Aber das machte sie gut. Jan liess nicht v on ihr ab , auch nicht, als sie zu k ratzen und zu beissen begann.
Hans trat ebenfalls auf sie zu. Den umstehenden Leuten erklärte er, sie habe in letzter Zeit immer wieder solche Anfälle, aber auch die Ärzte wüssten keinen Rat. Diese Aussage hatte die gewünschte Wirkung. Sofort traten die Menschen ängstlich einen Schrit t zurück. Manche gingen ganz weg. Hans empfand es von Zeit zu Zeit als ganz nützlich, das s gewisse Bewohner ihre Gottesfürchtigkeit noch nicht ganz abgelegt hatten . So konnte er auch jetzt das Verhalten seiner Tochter ohne weiteres zu seinen Gunsten ummünzen, indem er lediglich mit ein paar wenigen Worten den Neugierigen suggerierte, sie sei vom Teufel besessen.
Alina war das egal. Sie hörte nur zum Teil hin und tobte weiter. Ihre Gedanken waren inzwischen ganz woanders. Und für einen kurzen, unachtsamen Moment sahen ihre Augen dorthin, wo ihre Gedanken waren. Dieser kurze verbotene Blick entging jedem - nur nicht ihrem Vater. Dieser hatte s chnell begriffen. Schneller noch, als Alina selbst ihre kleine Unachtsamkeit bemerkt hatte . Sie sah zu ihrem Vater. Dessen Gesichtausdruck war hart und konzentriert.
Hans steuerte auf Jan zu und bed eutete ihm, Alina loszulassen. D ann zeigte er dorthin, wo Alina zuvor hingeschaut hatte . Schliesslich flüsterte er Jan einen kurzen Befehl ins Ohr, woraufhin dieser gehorsam losrannte. Währenddessen hatte Alina ihr Ablenkungsmanöver aufgegeben und schaute der Szene gebannt zu. Was nach ihrem Theater auf sie selbst zukommen würde, daran mochte sie noch nicht denken. Ihre ganze Energie lag nun auf nur einem Wunsch: Inständig hoff t e sie , keiner der Verfolger würde Ambros einholen, vor allem nicht Jan .
2010
Über den ganzen Ereignissen dieses Tages hatte Sebastian die Zeit vollkommen vergessen. Er war spät dran. Es würde ihm nicht mehr reichen seine Schicht pünktlich zu beginnen und bei seinem Vater war er auch nicht gewesen.
Obwohl ihm der Gedanke an den bevorstehenden Besuch Kopfzerbrechen bereitete, wollte er die Konfrontation so schnell wie irgend möglich. Denn die Aussprache war schon allzu lange hinausgezögert worden. In Gedanken versunken ging er um das Gebäude herum, um die Bar durch den Hintereingang zu betreten.
Wie gehofft, war Angela schon da und hatte alles für den bevorstehenden Abend vorbereitet. Als er den Raum betrat, sah sie von ihrer Getränkeliste auf. „Ich nehme an, du wurdest von den heutigen Ereignissen aufgehalten?“ Ohne die Antwort abzuwarten sprach sie weiter. „Das ist ’ ne ziemlich grosse Sache, findest du nicht auch? Hast du Leonie schon gesehen? Was sagt sie dazu?“ Der begeiste rte Ausdruck in Angelas Gesicht wich einem argwöhnischen Blick, als sie Sebastian ertappte, wie er bei Leonies Name ein kleines bisschen zurückwich. „Was ist los?“ Da war er wieder, der strenge Ton einer Mutter, die ihr Kind auf frischer Tat ertappt hat.
„Nichts!“ Aber anstatt seine Verteidigungsposition durch seine Körperhaltung zu bestärken, steckte er schuldbewusst seine Hände in die Hosentaschen.
Angela trat näher an ihn heran und obwohl sie fast ein ganzer Kopf kleiner war als Sebastian, drohte sie ihm äusserst effektiv mit dem Zeigefinger. „Du verheimlichst etwas und du wei ss t, dass ich es früher oder später erfahren werde. Also, was möchtest du? Kurz und schmerzlos oder lang und qualvoll?“
„Leonie ist in den Keller von Hans eingebrochen , und dort hat sie gehört , wie er starb. Sie sagt, er wäre in der Zeit nicht alleine gewesen. Weil ihr unter diesen Umständen aber kein einflussreiches Organ Glauben schenken würde, ist sie mit ihrem blauäugigen IKEA-Fleischbällchen
Weitere Kostenlose Bücher