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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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Multikulti-Clique.«
    »Mr. Ritchie«, sagte Gemma, bemüht, ihre Frage in möglichst taktvolle Worte zu kleiden, »waren Sie und Sandra immer … nur Freunde?«
    Er warf ihr einen taxierenden Blick zu, dann zuckte er mit
den Achseln. »Ich wüsste nicht, was das irgendjemanden anginge. Wie ich schon sagte, es ist sehr lange her. Aber wenn Sie die Wahrheit wissen wollen - ich habe immer mehr auf Sandra gestanden als sie auf mich. Sie fand, dass ich ein Blender sei, viel Show und wenig Substanz, und ich muss zugeben, dass ich, was Beziehungen angeht, auf meine Bilanz nicht gerade stolz sein kann. Und als sie dann Naz kennenlernte, waren alle anderen sofort abgemeldet.«
    »Wie hat sie Naz kennengelernt - wissen Sie das?«
    »Er hat bei ihr Blumen gekauft.«
     
    Die blonde junge Frau kam mit einer Teekanne und Tassen auf einem Tablett aus dem kleinen Büro. »Entschuldige, Lucas«, sagte sie. »Das Telefon steht heute einfach nicht still.« Sie stellte das Tablett auf dem Couchtisch in der Sitzecke ab und eilte zum Tresen zurück, als der Türsummer ertönte.
    »Danke, Karen«, rief Ritchie ihr nach. Dann bedeutete er Gemma und Melody, Platz zu nehmen, setzte sich zu ihnen und schenkte den Tee selbst ein. Zwei Männer kamen von der Straße herein und begrüßten die Blonde. Dann glitt die Tür hinter dem Empfangstresen auf und gab den Blick in eine Aufzugskabine frei. Eine Gruppe von Männern trat heraus und machte Platz für die Neuankömmlinge. Sie nickten Ritchie zu, als sie zum Ausgang gingen.
    »Die letzten Nachzügler vom Lunch«, murmelte Ritchie. »Demnächst geht dann der Barbetrieb los.«
    »Sandra hat Naz also kennengelernt, als sie für Roy arbeitete?«, fragte Gemma, der die Vorstellung irgendwie gefiel.
    »Klingt ein bisschen wie im Märchen, aber so war’s. Ich glaube, er ist einen Monat lang jeden Sonntag gekommen, bevor er den Mut aufbrachte, sie zum Kaffee einzuladen.«
    »Dann kannten Sie also Naz auch schon recht lange.« Gemma balancierte die dünne weiße Porzellantasse auf dem Knie.
Sie war sich nicht sicher, warum Ritchie so entgegenkommend war - sie hatte irgendwie das Gefühl, dass er ihnen etwas vorspielte -, aber eine solche Chance wollte sie sich nicht entgehen lassen. »Was war er für ein Mensch? Bei ihm fällt es mir schwerer, ein Gefühl dafür zu bekommen, wer er war und was ihn bewegte.«
    »Anfangs dachten wir alle, Sandra hätte den Verstand verloren. Nicht etwa wegen seiner asiatischen Herkunft - wenn von uns jemand Rassenvorurteile hatte, hätte er es bestimmt nie zugegeben -, aber der Typ war Rechtsanwalt, ich bitte Sie! Reifer, nüchtern, fleißig - all diese Eigenschaften suchte man in unserem Kunststudenten-Manifest vergebens.« Ritchie trank einen Schluck von seinem Tee und starrte in das kalte Feuer. »Erst später, als ich ihn ein bisschen besser kennenlernte, nahm ich den Sinn für Humor hinter dieser ernsthaften Fassade wahr. Aber Naz hatte auch etwas Solides, absolut Verlässliches. Sie haben sich gegenseitig ausgeglichen - oder vielleicht hat er auch etwas in Sandra gesehen, was niemand sonst sah.
    Und für beide war es nie eine Frage, dass sie eine Familie sein wollten.« Er runzelte die Stirn, als wollte er sich vergewissern, dass seine Erinnerung ihn nicht trog. »Ich glaube, Naz hatte keine Verwandten mehr, und Sandra - tja, da sind wir wieder beim Thema, nicht wahr?«
    Er streifte sie mit einem Blick, als ob er überlegte, und fuhr dann langsamer fort. »Irgendetwas war da, ich hatte es schon vergessen. In der ersten Zeit, als sie mit Naz zusammen war, noch auf der Kunsthochschule. Eines Tages kam sie mit einem blauen Auge in die Veranstaltung. Sie hatte gar nicht erst versucht, es zu verdecken, das war nicht ihre Art - sie hatte schon immer etwas Trotziges an sich -, aber darüber reden wollte sie auch nicht. Wenn man ihr eine Frage stellte, die sie nicht beantworten wollte, dann sah sie einen einfach nur an, mit einem Blick, der einem durch Mark und Bein ging.

    Aber weil ich Naz damals noch nicht gut kannte, fragte ich sie trotzdem, ob es ihr neuer Typ gewesen sei, und sie reagierte vollkommen geschockt. ›Verdammt, wofür hältst du mich eigentlich - für eine Nutte?‹, fuhr sie mich an, und danach hat sie eine Woche lang kein Wort mit mir geredet.«
    »Wohnte sie damals noch bei ihren Eltern?«
    »Ja. Scheußliche Sozialwohnung. Ich habe sie manchmal dort abgeholt oder abgesetzt, aber sie hat mich nie ins Haus gelassen.«
    »Dann denken Sie also, dass es

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