Wenn Die Wahrheit Stirbt
der Hochzeit unternehmen? Er hatte versprochen, dass er sich darum kümmern würde, aber er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er es anstellen sollte. Vielleicht wäre Gretna Green ja gar keine so schlechte Idee …
Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Überlegungen, und sofort war er wieder voll da. Er stürzte sich auf den Apparat und hoffte, dass das Geräusch Gemma nicht geweckt hatte - und dass es nicht Jack mit neuen Hiobsbotschaften war.
Doch zu seiner Erleichterung war es Hazel, die nach Gemma fragte. »Ich habe mir gestern Sorgen um sie gemacht«, sagte sie. »Ich denke die ganze Zeit, ich hätte sie besser nicht nach Hause fahren lassen sollen.«
»Und ich war ein Idiot. Ich hätte sehen müssen, dass sie ins Krankenhaus musste. Ich hätte gleich darauf bestehen müssen, als ich diesen Bluterguss sah. Sie hätte -« Er brach ab und vermied es auszusprechen, was hätte passieren können. Stattdessen berichtete er Hazel, dass die Ärztin Gemma einige Tage Bettruhe verordnet hatte, und erzählte dann von Winnie und Jack.
»Duncan, bist du sicher, dass mit Gemma alles in Ordnung ist? Psychisch, meine ich?«, fügte Hazel ein wenig zögerlich hinzu. »Ich frage nur, weil ich gestern den Eindruck hatte, dass sie sich furchtbar viel Sorgen um ihre Mutter macht und dass die Hochzeit sie sehr belastet … Ihre Schwester -«
»Oh, ich werde mir Cynthia schon vorknöpfen. Sie wird sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern, sonst bekommt sie es mit mir zu tun. Aber wenn Gemma und ich auf dem Standesamt heiraten, ohne Familie - was mir die einzig praktikable Lösung zu sein scheint -, und Vi dann … wenn es ihr dann schlechter gehen sollte, dann hat Cyn Gemma bestimmt längst erfolgreich eingeredet, dass es alles ihre Schuld ist. Aber ich werde verdammt noch mal nicht zulassen, dass Gemmas Familie uns alles vermasselt. Ich weiß nur noch nicht so genau, wie ich es anstellen soll.«
»Es ist schwierig, ja«, erwiderte Hazel gedehnt. »Aber ich hätte da vielleicht eine Idee.«
25
Ein Trio von Bangladeschi-Mädchen kam über die Straße auf uns zu, Kaugummi kauend, lachend und schwatzend. Sie waren anständig gekleidet, mit langen schwarzen Jacken, weiten Hosen und Hidschabs, aber sie trugen auch Make-up und Lippenstift, und ihre Nägel waren mani- kürt und lackiert.
Tarquin Hall, Salaam Brick Lane
Die erzwungene Untätigkeit war nicht so schlimm gewesen, wie Gemma befürchtet hatte, denn jeden Tag war entweder Betty oder Wesley mit Charlotte zu Besuch gekommen, und Melody hatte sie auf dem Laufenden gehalten, was die Arbeit betraf. Ihr Chef hatte Blumen geschickt und Kincaid angerufen, um ihm die Hölle heißzumachen und ihm zu drohen, er werde ihn wegen Körperverletzung drankriegen.
Am Donnerstag aber war sie nicht mehr zu halten, und nachdem die Ärztin am Nachmittag ihr Okay gegeben hatte, stürmte sie am Freitagmorgen mit einem solchen Feuereifer ins Büro, dass ihre Mitarbeiter in gespielter Verzweiflung aufstöhnten.
Zumindest hoffte sie, dass sie nur gespielt war. Am späten Vormittag kam Melody mit einem Stapel Papier herein und zerstreute ihre Bedenken, indem sie mit einem Schmunzeln erklärte: »Die Kollegen schuften alle wie die Wahnsinnigen, um zu beweisen, dass sie in Ihrer Abwesenheit nicht auf der faulen Haut gelegen haben. Ich glaube, sie haben Sie vermisst, Chefin.«
»Offenbar nicht genug, um diese verdammten Einbrüche aufzuklären«, meinte Gemma, dankbar für eine kurze Pause von der Computerarbeit. Ihr fiel auf, dass Melody ein pinkfarbenes T-Shirt unter ihrer maßgeschneiderten schwarzen Kostümjacke trug - für sie gewiss ein modischer Befreiungsschlag. Bei ihren Telefonaten im Lauf der Woche hatte Melody kein Wort darüber verloren, wie ihre Begegnung mit ihrem Vater am Sonntagnachmittag verlaufen war, und Gemma hatte nicht nachfragen wollen.
Dann aber wies Melody mit einem Nicken auf den Stuhl und fragte: »Haben Sie einen Moment Zeit, Chefin?«
»Jederzeit.« Gemma blendete die Bildschirmanzeige aus, während Melody Platz nahm, und schenkte ihr ihre volle Aufmerksamkeit.
Zu ihrer Überraschung begann Melody jedoch zögerlich: »Ich wollte nur mal fragen, ob Sie dem Super schon erzählt haben, was ich von Roy Blakely erfahren habe - von den blauen Flecken, die er eine Woche vor Sandras Verschwinden an ihren Armen bemerkt hatte.«
»Nein. Ich hatte es vor, aber … Vom Drogendezernat gibt es noch keine Rückmeldung, und er hat noch nicht herausfinden
Weitere Kostenlose Bücher