Wenn Die Wahrheit Stirbt
können, ob der Transporter von Kevin Gilles’ Chef am Tag von Naz’ Ermordung irgendwo gesichtet wurde. Er hat sogar bei den Möbelhäusern im ganzen Umkreis nachgefragt, ob irgendwo der Verkauf einer Polstergarnitur registriert ist, wie ich sie in der Wohnung gesehen habe, aber auch da hatte er kein Glück. Und selbst das würde noch nicht beweisen, dass sie etwas mit Naz’ Tod zu tun hatten, sondern nur, dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, ihn zu transportieren.«
»Würde mich nicht wundern, wenn die Möbel tatsächlich vom Laster gefallen wären.«
»Das ist mehr als wahrscheinlich«, pflichtete Gemma ihr bei. »Aber es wurden keine als gestohlen gemeldet, also sind wir
weiter auf Indizien angewiesen. Und nach dem -« Sie beschloss, den Zeitungsartikel lieber nicht zu erwähnen, und fuhr stattdessen fort: »Und ich wollte nicht, dass er denkt, ich mische mich schon wieder in seinen Fall ein.« Geistesabwesend befühlte sie die Prellung an ihrer Stirn. Der Fleck war inzwischen zu einem unattraktiven Gelb verblasst, und sie hatte ihn zu überschminken versucht, so gut es ging.
»Was ist mit Charlottes Betreuerin vom Jugendamt?«, fragte Melody. »Haben Sie mit ihr gesprochen?«
»Ja, und sie sagte, selbst wenn Roy bereit wäre, eine Aussage zu machen, wäre es immer noch eine unbewiesene Behauptung, die vor Gericht kaum Bestand hätte. Die nächste Anhörung ist für Montag angesetzt, und bis jetzt sieht es so aus, als hätten sie an Gail Gilles nichts zu beanstanden. Ich konnte ja kaum fragen, ob sie die ganze Beute inzwischen aus der Wohnung geschafft hat.«
»Sie machen sich also Sorgen wegen der Anhörung?«
»Ja«, antwortete Gemma, obwohl ihre Gefühle mit Sorgen nicht einmal annähernd umschrieben waren. Je mehr Zeit sie mit Charlotte verbrachte, desto weniger konnte sie den Gedanken ertragen, dass das Kind Gail Gilles in die Hände fallen sollte.
»Ich habe noch einmal mit Louise Phillips gesprochen, und sie ist bereit, dem Familienrichter zu erklären, dass es gegen den ausdrücklichen Willen beider Eltern wäre, wenn Gail das Sorgerecht bekäme. Trotzdem … es ist längst nicht gesagt, dass das helfen wird, wenn der Richter auf dem Standpunkt steht, dass Familienmitglieder auf jeden Fall Vorrang haben, und Gail sich keine Fehltritte leistet.« Sie wusste nicht, was sie sonst noch tun könnte, um das Gericht zu beeinflussen, und war inzwischen schon regelrecht krank vor Angst um Charlottes Schicksal.
Und wenngleich sie mit Melody nicht darüber sprechen mochte, war sie auch ein wenig beunruhigt wegen Duncan. Mehrmals hatte sie im Lauf der Woche versucht, das Thema Hochzeit erneut anzusprechen. Als die Folgen der Gehirnerschütterung
allmählich abgeklungen waren, war sie zu der Erkenntnis gelangt, dass sie die ganze Sache wohl ein wenig zu eng gesehen hatte.Vielleicht könnte sie sich doch dazu durchringen, etwas zu machen, was ihre Familie zufriedenstellen würde. Aber Duncan hatte nur leichthin erwidert, sie solle sich keine Sorgen machen und erst mal zusehen, dass sie wieder gesund würde - und hatte dann prompt das Thema gewechselt. War er etwa zu dem Schluss gekommen, dass sie eine hoffnungslos verkorkste Psyche hatte, und hatte er es sich nun seinerseits anders überlegt?
»Na ja«, sagte Melody, »ich weiß ja nicht, was ich tun kann, um Charlotte zu helfen, aber ich dachte mir, was die Ermittlung betrifft, könnte das hier vielleicht ganz hilfreich sein.« Mit selbstzufriedener Miene reichte sie Gemma die obersten Blätter von dem Papierstapel, den sie mitgebracht hatte.
Gemma überflog die Seiten und sah, dass es sich um eine Liste von Namen handelte. Sie blickte zu Melody auf. »Was -«
»Das sind die Mitglieder von Lucas Ritchies Club. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass mein Vater mir etwas schuldig ist. Manchmal sind seine Beziehungen wirklich nützlich. Und ich habe ihm gesagt, wenn er das hier - oder sonst irgendetwas, was er von mir erfährt - für eine Story verwenden sollte, würde ich nie mehr ein Wort mit ihm reden.«
»Hat er Ihnen geglaubt?«
»Ich denke schon. Meine Mutter hat auch mit ihm geredet, und sie ist der einzige Mensch, der ihn wirklich das Fürchten lehren kann.«
Gemma wandte sich wieder der Liste zu und las sie gründlicher durch. Sie sah Azads Namen; ein weiterer - Miles Alexander - kam ihr bekannt vor, doch sie konnte ihn nicht recht einordnen. Und dann sah sie etwas, was sie stutzen ließ. Sie las den Namen noch einmal: John Truman, RCVS . Der
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