Wenn Die Wahrheit Stirbt
zustande, während er insgeheim über den Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Lungenkrebs nachdachte. Er setzte sich auf einen der Besucherstühle aus Metall und Kunstleder, die zwischen Kartons voller Aktenordner eingezwängt waren. Cullen angelte sich einen zweiten Stuhl, während Phillips sich auf ihren Schreibtischsessel sinken ließ, offensichtlich erleichtert, wieder in ihrer vertrauten Umgebung oder jedenfalls der rauchfreien Zone entkommen zu sein.
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht warten wollen, bis Sie mit Naz selbst reden können?«, fragte sie. »Was immer es ist - ich weiß auch nicht, warum er noch nicht da ist. Er kommt sonst nie zu spät -«
»Ms. Phillips«, unterbrach Kincaid sie. Es war immer besser, die Sache schnell hinter sich zu bringen. »Wir können nicht mit Ihrem Partner sprechen. Es tut mir leid, aber Naz Malik ist tot.«
»Was?« Phillips starrte ihn an, und ihre dunkle Haut schien sich leicht grau zu verfärben. »Sie machen Witze.« Sie schluckte und schüttelte den Kopf, die Finger an die Lippen gepresst. »Nein. Sie sagten, dass Sie von der Polizei sind. Sie machen keine Witze. Aber ich verstehe nicht. Wann ist das passiert? Und wie? War es ein Unfall?«
»Das glauben wir nicht.«
»Aber -« Phillips griff nach einer Packung Silk Cut, die auf ihrem Schreibtisch lag, nestelte eine Zigarette heraus und zündete sie mit einem billigen Plastikfeuerzeug an. Sie blies eine
Rauchwolke in die Luft, durch die sie ihn mit zusammengekniffenen Augen fixierte. »Nein, das ist ja auch nicht anzunehmen, wenn Sie tatsächlich von Scotland Yard sind. Und Sie sagten, Sie sind Superintendent. Abteilung Schwerkriminalität, vermute ich mal.«
Kincaid unterdrückte den Impuls zu husten, als der Rauch ihn erreichte. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Cullen, der schon sein Notizbuch gezückt hatte, zum Fenster schielte. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln in Cullens Richtung sagte er: »Ms. Phillips, wann haben Sie zuletzt mit Ihrem Partner gesprochen?«
»Am Freitag. Freitagnachmittag. Wir haben zusammen an einem Fall gearbeitet, der nächste Woche verhandelt wird. Wir hatten einen Termin mit dem Prozessanwalt in dessen Kanzlei. Naz war -« Ihre Stimme versagte. »Ich fasse es nicht.« Sie drückte die halb aufgerauchte Zigarette aus und zündete sich gleich die nächste an. »Ich versuche seit gestern, ihn anzurufen. Ich konnte mir nicht erklären, wieso er sein Handy ausgeschaltet hatte - es ging gleich auf die Mailbox. Heute Morgen habe ich ihm eine Nachricht hinterlassen. Ich konnte nicht glauben, dass er sich verspätet hatte.« Sie sah die beiden eindringlich an. »Was ist mit ihm passiert?«
»Wir wissen es nicht genau, Ms. Phillips«, antwortete Kincaid. »Fällt Ihnen irgendein Grund ein, warum Ihr Partner im Haggerston Park gewesen sein könnte?«
»Haggerston? Nein. Nur, dass Naz und Sandra manchmal mit Charlotte dort auf der Farm waren oder spazieren gegangen sind …«
»Hatte der Park irgendeine spezielle Bedeutung für sie?«
»Nein, nicht dass ich wüsste. Sie haben oft Familienausflüge in die nähere Umgebung gemacht. Aber eigentlich ist Naz selbst nicht so der Naturfreund …« Louise Phillips stand auf und begann in dem beengten Raum hinter ihrem Schreibtisch
auf und ab zu gehen. »Sagen Sie, sind Sie absolut sicher, dass es Naz ist? Es könnte eine Verwechslung vorliegen -«
»Detective Inspector Weller, der im Fall von Sandra Gilles’ Verschwinden ermittelt hat, hat den Toten identifiziert.«
»Weller.« Phillips zog eine Grimasse. »Ja, der müsste Naz kennen. Aber wieso fragen Sie nach Haggerston? Wurde er dort … gefunden? Was ist mit ihm passiert? Sie haben es mir immer noch nicht gesagt.«
Geduldig antwortete Kincaid: »Mr. Malik ließ am Samstagnachmittag seine Tochter in der Obhut ihres Kindermädchens zurück und sagte, er werde bald wieder zurück sein. Sein Freund Tim Cavendish meldete ihn als vermisst, nachdem sowohl er als auch das Kindermädchen sich Sorgen zu machen begannen. Gestern Morgen wurde Mr. Maliks Leiche von einer Passantin im Haggerston Park gefunden. Der Rechtsmediziner hat sich noch nicht auf die genaue Todesursache festgelegt.«
»Gestern?«, stieß Louise Phillips hervor. »Warum hat mir niemand etwas gesagt?«
»Sie stehen doch nicht im Telefonbuch, oder, Ms. Phillips? Oder hatte DI Weller vielleicht Ihre Privatnummer?« Kincaid erinnerte sich, dass Gemma ihm erzählt hatte, sie habe vergeblich versucht, Phillips’ Privatnummer
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