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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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Es war nur so - Naz war sich nicht sicher, ob er Azad weiter vertreten wollte. Ich sagte ihm, dass das Unsinn sei. Wir hatten uns verpflichtet, und wir brauchten das Geld. Seine Skrupel konnten wir uns nicht leisten. Er -« Sie presste die Lippen fest zusammen, und ihre Hände waren plötzlich still.
    »Was war mit ihm, Ms. Phillips?« Kincaids Ton war streng.
    »Es ist nur so - seit Sandras Verschwinden war Naz irgendwie … verändert. Na ja, das war ja wohl auch zu erwarten, aber … Wir kennen uns schon seit dem Jurastudium. Wir sind seit zehn Jahren Partner.Wir waren ein gutes Team. Aber in letzter Zeit … ist Naz mehr und mehr zu einer Belastung geworden. Er konnte sich nicht konzentrieren. Alles Mögliche lenkte ihn ab, konnte seine Hoffnungen in Bezug auf Sandra wieder aufflackern lassen. Oder er reagierte unvernünftig, wie in der Sache mit Azad. Aber ich dachte, er würde irgendwie lernen, damit zu leben …«
    »Sie dachten, er würde lernen, mit dem Verlust seiner Frau zu leben? Sie glaubten also nicht, dass sie wieder auftauchen würde?«
    »Nein.« Phillips’ Antwort klang kategorisch. »Sandra war nicht die Sorte Frau, die alles, wofür sie gearbeitet hatte, einfach stehen und liegen ließ. Das hatten wir immerhin gemeinsam, Sandra und ich.«
    »Auch nicht, wenn sie eine Affäre gehabt hätte?«, fragte Kincaid.
    »Eine Affäre? Nein.« Phillips schüttelte den Kopf. »Als sie
verschwand, gab es natürlich Gerüchte, dass sie mit einem anderen Mann durchgebrannt wäre, aber ich habe dem nie Glauben geschenkt. Sandra war keine Heilige, und ich bin sicher, dass sie und Naz im Lauf der Jahre so ihre Differenzen hatten, aber sie hätte niemals ihre kleine - O Gott.« Sie starrte Kincaid an, die Augen weit aufgerissen. »Charlotte - was ist mit Charlotte passiert?«
     
    Gemma schob eine CD mit Händel-Hymnen in die kleine Anlage in ihrem Büro. Sie hoffte, dass die Musik ihr den nötigen Schwung geben würde, um die Flut von Berichten durchzustehen, die sie wie jeden Montagmorgen auf ihrem Bildschirm vorgefunden hatte. Doch als die jubilierenden Stimmen den Raum erfüllten, schloss sie die Augen, die Hand auf der Computermaus, und tauchte in die Musik ein.
    Die festlichen Klänge ließen sie an Winnie denken, an die kleine, perfekte Hochzeitsfeier, die sie sich gewünscht hatte, bei der Winnie die Trauung hätte vornehmen sollen. Einen Moment lang gab Gemma sich dem Tagtraum hin. Dann schlug sie die Augen auf und stellte die Musik leiser, während sie sich Vorwürfe machte, weil sie ihre egoistischen Wünsche über die Sorge um Winnies Gesundheit stellte. Noch heute Abend würde sie in Glastonbury anrufen und sich nach ihr erkundigen - und das bedeutete, wie sie sich widerwillig eingestand, dass sie Winnie und Jack auch von ihrer Mutter würde erzählen müssen.
    Sie hatte Vi gestern Abend und noch einmal heute in aller Frühe im Krankenhaus angerufen, und beide Male war sie mit der Standardantwort Mir geht’s gut, Schatz abgespeist worden. Sie hatte gerade beschlossen, selbst hinzufahren, sobald sie sich mit einigermaßen gutem Gewissen loseisen könnte, als es leise an der Tür klopfte und Melody Talbot eintrat. Sie hatten nur bei der morgendlichen Einsatzbesprechung ein paar Worte gewechselt. Dort war es ziemlich hektisch zugegangen, denn wie
immer bei einer Hitzewelle gab es für die Einsatzkräfte besonders viel zu tun, und der bevorstehende Notting Hill Carnival ließ die Gemüter noch heftiger brodeln.
    »Chefin«, sagte Melody und machte die Tür hinter sich zu, »haben Sie mal einen Moment Zeit?«
    Gemma warf einen Blick auf den Bericht, den sie gerade vor sich hatte. Ein Jugendlicher war am Samstagabend im U-Bahnhof Ladbroke Grove niedergestochen worden; er hatte den Angriff überlebt, weigerte sich aber, die Namen der Täter zu nennen. Sie seufzte, da sie die Frustration der ermittelnden Beamten nur zu gut verstehen konnte, und wies mit einem Mausklick den Fall einem anderen Team zu, das bereits an zwei ähnlichen Zwischenfällen arbeitete. Gut möglich, dass es eine Verbindung gab.
    Dann lächelte sie Melody an, blendete die Bildschirmanzeige aus und schaltete den CD-Spieler aus. »Ich bin ganz Ohr. Was gibt’s?«
    »Äh …« Melody zögerte - ungewöhnlich bei dieser Kollegin, die sich sonst durch ihre zupackende Art hervortat. Neugierig geworden, deutete Gemma mit dem Kopf auf einen Stuhl. Melody nahm Platz. Mit ihrem marineblauen Rock und der weißen Bluse wirkte sie spröder, als sie

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