Wenn die Würfel fallen
verbleibt«,
vervollständigte ich den Satz.
»Möchten Sie, daß ich Ihnen die
Augen verbinde und Ihnen eine letzte Zigarette gebe?« fragte sie.
»Wird schon nicht so schlimm
sein«, sagte ich.
Aber als ich das Büro betrat,
änderte ich meine Meinung beim Anblick des Sheriffs sehr rasch.
»Daß Sie es überhaupt noch der
Mühe wert finden, um die Zeit ins Büro zu kommen«, sagte er. »Ist es nicht eine
Verschwendung, den Rest des Tages hier zu verbringen!«
»Ich wäre schon früher
dagewesen, Sir«, erklärte ich. »Aber ich habe mich verspätet.«
»Warum setzen Sie sich nicht,
Wheeler?« sagte er. »Sie müssen doch müde sein. Sie sind gestern nacht erst um
halb eins gegangen. Polnik und ich verließen die Wohnung aber schon um vier Uhr
morgens.«
»Jawohl, Sir«, sagte ich. Ich
setzte mich vorsichtig hin und tastete meine Taschen nach Zigaretten ab.
»Darf ich fragen, welchen
wichtigen Grund Sie hatten, mitten während einer Morduntersuchung
davonzulaufen?« fragte Lavers mit dem affektierten Sarkasmus eines plattfüßigen
Elefanten. »Das soll natürlich nicht heißen, daß ich mich in Ihr Privatleben
einmischen möchte. Ich bin nur neugierig, das ist alles! Ich meine, es sähe in
meinem Bericht besser aus, wenn ich einen Grund anführen könnte.«
»Ich suchte Salter draußen in seinem Haus auf«, sagte ich. »Sein Alibi ist hieb- und stichfest.«
»Warum Salter ?«
»Er ist der hiesige Vertreter
des Syndikats.«
»Haben Sie immer noch diesen
hirnverbrannten Gedanken im Kopf?« brüllte er. »Wir sind mit unserer Zeit am
Ende, Wheeler!«
»Jawohl, Sir«, sagte ich und
fragte mich, was er damit wohl meinte.
»Da Sie heute morgen zu
beschäftigt waren, um pünktlich hier zu sein, habe ich Polnik geschickt, die
Sache zu erledigen.«
»Polnik? Welche Sache?« Ich
starrte ihn verständnislos an.
»Die mit Fletcher, welche denn
sonst?«
»Soll das heißen, daß Sie ihn
verhaften lassen?«
»Was denn sonst?«
»Aber Sie versprachen mir doch,
mir noch zwei Tage zu geben, das wäre bis morgen früh gewesen.«
Lavers schüttelte entschieden
den Kopf. »Ich sagte Ihnen ja, daß wir keine Zeit mehr haben, Wheeler. Haben
Sie die Tribune von heute morgen noch nicht gelesen?«
»Ich lese niemals die
Zeitungen«, sagte ich.
»Dann lesen Sie das hier!«
fauchte Lavers und streckte mir die Zeitung hin.
Ich nahm sie und schaute sie
an. Auf der ersten Seite stand ein Bericht über Ninas Ermordung. Aber damit
fing der Bericht nur an. Er behandelte den zwischen Nina und Linda Scott
bestehenden Zusammenhang. Dann zog er über den County Sheriff her und ließ kein
gutes Haar an ihm. Mit Anspielungen und Fragen wurde das sehr wirkungsvoll
bewerkstelligt.
Soweit ich sehen konnte, bot
der Bericht keine Möglichkeit einer Verleumdungsklage. Nachdem ich ihn zu Ende
gelesen hatte, war es kristallklar, daß das zertrümmerte Porzellan nicht mehr
gekittet werden konnte. Der Verfasser des Artikels war Rex Schäfer.
»Na!« schnappte der Sheriff.
»Wollen Sie jetzt immer noch die vierundzwanzig Stunden, während wir die Hände
in den Schoß legen?«
»Ja, Sir«, sagte ich.
»Wheeler«, sagte er mit müder
Stimme. »Gelegentlich haben Sie Einfälle wie ein idiotischer Genius. Aber
diesmal nicht. Wir haben uns mit den Tatsachen abzufinden; Sie sind in beiden
Mordfällen nicht weitergekommen. Daß Fletcher für beide Morde verantwortlich
ist, schreit bei den Beweisen, die wir haben, zum Himmel. Wenn ich ihn heute
morgen nicht verhaften ließe, würde ich selber zu glauben anfangen, ich hätte
das, was die Zeitung schreibt, zu Recht verdient.«
Ich öffnete den Mund, um
Einwände zu machen, schloß ihn dann aber wieder. Ein Blick auf Lavers’ Gesicht
sagte mir, daß er jenseits aller Einsicht und Vernunft war. Ich erinnerte mich
der Zigarette, die ich gesucht und noch zwischen den Fingern hatte. Ich hielt
eine Streichholzflamme daran und atmete tief ein.
Lavers’ Gesicht drückte milde
Überraschung aus. Er hatte meine Gegenargumente erwartet und konnte nicht
verstehen, warum sie ausblieben. Aber die Antwort war ganz einfach. Ich hatte
keine, wenigstens in diesem Moment noch keine.
»Er müßte jeden Augenblick
zurückkommen«, sagte der Sheriff mit rauher Stimme.
»Ich habe die Zeitungen verständigt — alle. Sie schicken Reporter und
Fotografen.«
»Hatten Sie die Erlaubnis der Tribune, auch die anderen
Zeitungen anrufen zu dürfen, Sheriff?« fragte ich.
»Verlassen Sie mein Büro,
Wheeler!« schrie er.
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