Wenn die Würfel fallen
ich komme nicht
ganz mit«, sagte ich. »Würden Sie es mir vielleicht erklären?«
»Diese Striptänzerin«, sagte
er. »Gabrielle. Sie machte ihre Sache ausgezeichnet. Nur beging sie einen
Fehler.«
»Fehler?« Ich hoffte, daß meine
Stimme nicht so hohl klang, wie ich mich fühlte.
»Fletcher hat das nichts
ausgemacht«, sagte er. »Über ihn brauchen Sie sich nicht zu sorgen, er ist noch
immer auf freiem Fuß. Bei der schriftlichen Aufnahme ihrer Aussage stellte man
die üblichen Fragen. Sie wissen ja, Name, Beruf, Anschrift und so weiter.«
Ich sah es kommen. »Fahren Sie
fort.«
»Und sie gab Ihre Anschrift
an.« Schäfer grinste schadenfroh. »Sie hätten das Gesicht des Sheriffs sehen
sollen! Es war ein ganzes Monatsgehalt wert, es zu sehen — oder sogar die
Karriere eines Polizeibeamten.«
»Und was stellen Sie dar«,
fragte ich. »Die Vorhut der Trauergesellschaft?«
»Sie hätten es früher oder
später doch erfahren, Wheeler«, sagte er. »Ich wollte der erste sein, der es
Ihnen erzählt. In dieser Stadt sind Sie erledigt, und vielleicht auch anderswo.
Ich glaube, das werden Sie schon noch früh genug zu spüren bekommen. Und jetzt
sind Sie an der Reihe, den Klagenden kommen zu lassen und zu jammern und zu
singen.«
Ich trank mein Glas aus und
zündete eine Zigarette an. »Weshalb haben Sie es eigentlich auf Lavers abgesehen?«
fragte ich.
»Ich habe es gar nicht auf ihn
abgesehen«, antwortete er kalt. »Ich wollte lediglich zu meiner Story kommen,
und ich kriege sie auch. Ich prophezeite Ihnen, daß ich noch dazu kommen würde,
eine Story über Sie zu schreiben. Und jetzt ist es soweit. Die Story wird gut;
der angeberische Polizist, der keinen Fehler zugeben wollte und deshalb einem
Mörder zu einem Alibi verhalf, nur um zu beweisen, daß er recht hatte!«
»Schreiben Sie es nieder, damit
ich Sie verklagen kann«, sagte ich.
»Wegen Verleumdung?« Schäfer
lachte. »Man muß ein gewisses Ansehen besitzen, um verleumdet zu werden, bevor
man damit vor Gericht gehen kann. Wußten Sie das nicht? Und welches Ansehen
werden Sie haben, nachdem ich meinen Bericht geschrieben habe? Das Mädchen, auf
Grund dessen Aussage Fletcher heute auf freien Fuß gelassen wurde, ist eine
Nackttänzerin aus Las Vegas, und sie lebt mit Ihnen zusammen als Ihre Geliebte.
Das sind Tatsachen, mein Lieber! Glauben Sie denn, Sie könnten vorbringen, Sie
hätten einen anständigen Namen und Ansehen?«
»Nun«, sagte ich. »Ich danke
Ihnen, daß Sie es mir so eindringlich und leicht verständlich dargelegt haben.
Ist das alles?«
»Sie haben das erstemal in der Bar so große Bogen gespuckt«, sagte er mit
gleichmäßiger Stimme. »Der Leutnant auf dem hohen Roß, der blondhaarige Junge
vom Büro des Sheriffs, der sich einbildete, er könnte ungestraft mit mir
umspringen wie mit seinesgleichen. Sie haben einen unverzeihlichen Fehler
begangen, Wheeler, als Sie sich mit mir einließen!«
Unvermittelt stand er auf.
»Kaufen Sie die morgige Tribune, mein Lieber. Sie werden sich darin finden, gleich auf der Titelseite!«
»Passen Sie lieber auf, daß Sie
vor Aufregung nicht in die Hose machen«, sagte ich. »Sie könnten dabei meinen
Teppich ruinieren.«
Er ging bis zur Tür, öffnete
sie, drehte sich noch einmal um und blickte mich an. »Und wissen Sie was,
Wheeler?«
»Wenn ich es wüßte«, antwortete
ich, »würde ich Ihnen trotzdem nicht den Abgang vermasseln.«
»Diesmal haben Sie für die
Drinks gezahlt!« Er knallte die Tür hinter sich zu.
Ich überlegte mir, daß es für
Schäfers Zustand eine Bezeichnung gab; vielleicht war Paranoia die richtige.
Ich überlegte mir auch, daß es für mich ebenfalls eine Bezeichnung gab, und die
war von jetzt ab »Bettelsack«. Solange ich noch Zeit dazu hatte, könnte ich
eigentlich schon mit dem Üben beginnen, dachte ich. »Freund«, sagte ich mit
aufrichtiger, aber verzweifelter Stimme, »Freund, können Sie mir einen Zehner
geben?«
Zehner! Ich versuchte es noch
einmal. »Freund! Können Sie mir einen Dollar geben?« Ich fragte mich, ob Fulton
in Las Vegas mir vielleicht Max’ Stelle geben würde?
Die Türklingel ertönte aufs
neue. »Wheeler«, sagte ich zu mir selbst, als ich zur Tür ging. »Schließlich
bist du bloß ein Mensch; es schadet deiner Gesundheit, wenn du deine
Gefühlsregungen unterdrückst. Wenn du Schäfer eine scheuerst, hast du
wenigstens eine schöne Erinnerung während der bevorstehenden mageren Jahre.«
Ich riß die Tür auf, und es
gelang mir
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