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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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herauszufinden, welcher das war.
    »Hallo, ist da jemand?« fragte er.
    »Mmmmmm.«
    »Giovanni? Sind Sie’s?«
    »Mm.«
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    »Was, um Himmels willen, machen Sie hier?«
    Es ist bemerkenswert, wie schnell man eine neue Sprache lernen kann. Schon bald verstand Blondel herausgewürgte Laute derart fließend, um sofort zu verstehen, daß Giovanni ihm mitzuteilen versuchte, er könne viel besser sprechen, wenn ihm nur jemand die Socke aus dem Mund nähme.
    »Ich komme, Giovanni«, antwortete er.
    Dann verfolgte er das Geräusch bis zu dem kleine-ren der beiden Schränke und öffnete die Tür. Drei gefesselte und geknebelte Finanzberater kamen zum Vorschein.
    »Mein lieber Freund, was ist denn bloß passiert?«
    fragte er Giovanni und nahm ihm dabei vorsichtig die Socke aus dem Mund.
    Giovanni gluckste, gab ein Geräusch wie eine Feile auf einer Resopalplatte von sich und krächzte:
    »Finanzamt …«
    »Wie bitte?«
    »Ich glaube, die waren vom Finanzamt«, keuchte Giovanni mit heiserer Stimme. »Die haben nach Quittungen oder so was gesucht.«
    »Wer?«
    »Die Männer, die hier alles durchsucht haben. Wir haben zwar versucht, sie daran zu hindern, aber …«
    Blondel sah sich im Raum um. Jetzt, da er darüber nachdachte, machte der Raum wirklich den Eindruck, als wenn er von oben bis unten durchgefilzt worden wäre. »Wie kommen Sie darauf, daß das Fi-nanzbeamte gewesen sind?«
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    »Du meine Güte, dann schauen Sie sich doch nur mal hier um!«
    Blondel kratzte sich am Kopf. »Das ist allerdings wahr.« Dann fiel ihm etwas ein. »Mein lieber Freund, wo bin ich nur mit meinen Gedanken? Ich werde Ihnen erst einmal die Stricke durchtrennen, die sehen ja furchtbar unbequem aus.«
    Kaum waren die Galeazzo-Brüder von den Fesseln befreit, rannte Giovanni quer durch die Garderobe, stellte einen Stahlrohrsessel hochkant hin und angelte mit den Fingern nach etwas in den Beinen. Nach einer kurzen und aufgeregten Suche holte er einige fest zusammengerollte Blätter hervor und schwang sie triumphierend über den Kopf.
    »Alles klar, sie haben die Papiere nicht gefunden«, seufzte er erleichtert.
    »Ach, und was sind das für Unterlagen?« fragte Blondel.
    »Ähm …«
    »Ich glaube nämlich nicht, daß diese Kerle von der Steuerfahndung waren.«
    »Ach, meinen Sie?« Giovanni hielt kurz inne. Er stand nur noch auf einem Bein, um sich die Papiere in eine Socke zu stecken. »Wer kann das dann gewesen sein?
    Die Zollfahndung vielleicht?«
    »Mag sein, möglicherweise waren das aber auch die Leute vom Antichristen.«
    »Glauben Sie wirklich?«
    Blondel hob etwas vom Boden auf und hielt es 354
    Giovanni auf der offenen Handfläche entgegen. »Sehen Sie, das ist ein Knopf von einer Uniform. Und schauen Sie hier, das ist das Wappen vom el des Larmes Chaudes.
    Ich nehme an, die sind bereits hinter uns her.«
    »Na, Gott sei Dank!« seufzte Giovanni. »Und ich hatte schon befürchtet, wir wären in echten Schwierigkeiten.«
    Er setzte sich und streifte das Hosenbein glatt, unter dem die Papiere steckten.
    »Wann sind die denn hier weggegangen?« wollte Blondel wissen, wobei er den Knopf in die Luft warf und wieder auffing. »Ich nehme an, das ist noch nicht lange her, richtig?«
    »Ich weiß nicht so genau«, antwortete Giovanni.
    »Vor fünf, vielleicht auch zehn Minuten.«
    »Und Pursuivant und Clarenceaux oder irgendeiner von dem Haufen sind es nicht gewesen, oder?«
    Giovanni schüttelte den Kopf. »Die hätte ich erkannt.
    Wie ich schon angedeutet habe, haben die einen wirklich furchterregenden Eindruck gemacht.« Er griff nach seiner Aktentasche und durchstöberte den Inhalt.
    »Vor zehn Minuten also, und Pursuivant und Clarenceaux sind nicht dabeigewesen. Also muß es sich um dieses andere Kommando gehandelt haben«, dachte er laut nach. Dann sagte er zu den GaleazzoBrüdem: »An Ihrer Stelle würde ich mich in den Kleiderschrank begeben, dieses Mal natürlich in den anderen, und zwar sofort.«
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    »Aber Sie haben doch gesagt …«
    »Sofort! Falls es Ihrer Phantasie auf die Sprünge hilft, damit Sie sich vorstellen können, wie sehr wir uns beeilen müssen, bilden Sie sich doch einfach ein, daß gerade ein Ermittlungstrupp der Gewerbeauf-sicht die Treppe heraufkommt.«
    Kurz darauf wurde die Tür zum Kleiderschrank zugeschlagen. Blondel zählte bis zehn – er hielt es für das beste, den etwas langsameren GaleazzoBrüdern einen kleinen Vorsprung zu geben –, dann folgte er ihnen; denn sollte er recht behalten, dann

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