Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
gehörten die Gentlemen, die hier bestimmt bald wieder aufkreuzen würden, nicht zu jenen Wesen, die er unbedingt kennenlernen wollte.
Jede militärische und paramilitärische Einheit besitzt irgendeine Elitetruppe, einen handverlesenen Haufen völlig skrupelloser und zu allem entschlossener Be-rufssoldaten, die nicht viel davon halten, schicke Ka-puzenmützen pechschwarz zu färben und Löcher hineinzuschneiden. Das el des Larmes Chaudes bildete da keine Ausnahme. Seine Elitetruppe war das Zeiterfassungskommando, kurz ZK.
Einige Spezialeinheiten werden dazu ausgebildet, unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise im Gebirge oder in der Antarktis, operieren zu können.
Das ZK wurde dazu gegründet, um in der Zeit eingesetzt zu werden.
Die Soldaten wissen, wie man sich von dem er-nährt, was einem die Umwelt bietet, indem sie unge-356
nutzte Gelegenheiten einfangen und am Spieß braten; wie man sich, verkleidet als flüchtige Momente, un-merklich der Zeitlandschaft anpaßt; wie man nichts-ahnende feindliche Streitkräfte aus dem Hinterhalt überfällt, indem man sie angreift, bevor deren Soldaten überhaupt geboren worden sind. Durch intensives Training sind sie darin geschult, den oft verheeren-den Auswirkungen überstürzter Zeitreisen auf die Verdauung zu trotzen, die nämlich sehr leicht dazu führen können, daß man Speisen verdaut, die man noch gar nicht gegessen hat.
Zudem können sie einer Spur in der Geschichte besser folgen als jeder Historiker, dem sämtliche Quellen und Hilfsmittel aller Universitäten dieser Welt zur Verfügung stehen.
Das ZK rekrutiert sich ausschließlich aus zeitlichen Außenseitern – aus Männern also, die auf irgendwelche Weise aus ihrer eigenen Zeit gefallen sind, weil sie nicht zeitgemäß waren; sogenannte Anachronismen, wie man leicht an den Hosen mit Schlag und den schmalen Revers ihrer Kampfanzüge erkennen kann. Folglich ist es kaum überraschend, daß sie unbarmherzig, zu allem entschlossen und notorisch unpünktlich sind.
Von daher ist es nur logisch, daß es das el des Larmes Chaudes für angebracht hielt, das ZK loszuschicken, da bereits genug Unheil angerichtet worden war.
Als sich Zeitsturmbandführer Uhrwerk erst einmal vergewissert hatte, daß sich Blondel nicht unter den 357
Fußbodenbrettern oder in den Sofapolstern versteckte, machte er sich auf die Suche nach der Zeittür. Er war mit den neuesten Detektoren für zeitliche An-omalien (DEFZA) ausgerüstet und brauchte folglich nicht lange, um die richtige Kleiderschranktür ausfindig zu machen.
Die Tatsache, daß sie sowieso offenstand und eindeutig ins Nichts führte, trug natürlich das Ihre dazu bei.
»Also, Männer, mir nach!« befahl er mit zackiger Stimme. »Uhrenvergleich!«
Der Zug lachte gehorsam; Zeitsturmbandführer Uhrwerk war schon ein rechter Witzbold.
Zwar war es im Tunnel sehr dunkel, doch ZK-Soldaten sind sowohl mit Weit– als auch mit Rückblick (und nicht etwa mit Vor- und Nachsicht) ausgestattet und können sich, falls erforderlich, allein durch Geräusche zurechtfinden, indem sie auf ihre eigenen gedämpften Flüche horchen, die sie in der Zukunft von sich geben werden, wenn sie sich mit den Zehen an verborgenen Hindernissen stoßen.
Kurz davor nahmen sie auch dieses Mal die Fährte auf. Die Abfälle historisch verzerrter und verdrehter Wahrheiten, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen, wurden von den DEFZAs problemlos entdeckt.
Der Zug setzte sich rasch in Bewegung.
Zum ersten Mal seit langem wußte Blondel nicht, welchen Weg er als nächstes einschlagen sollte. Seine Urinstinkte rieten ihm, in Richtung des el de Nes-358
le zu gehen, hinter sich die Türen zu verriegeln und Isoud darum zu bitten, einen großen Kessel mit ko-chendheißem Kartoffelbrei zuzubereiten, um ihn auf die Köpfe der Möchtegernbelagerer zu schütten. Bei Urinstinkten darf man aber nicht vergessen, daß sie nicht immer funktionieren.
Wenn Biber und Kaninchen ihr Gehirn benutzen würden, anstatt ihren angeborenen Instinkten zu folgen, wären Pelze sehr viel teurer.
Die Alternative dazu lautete natürlich, es darauf ankommen zu lassen und sie irgendwo in der Zeit abzuhängen; aber das war fast dasselbe, als wollte man einen Fisch ertränken. Die dritte Möglichkeit, nämlich sich dem Feind entgegenzustellen und die ganze Geschichte mit blankem Stahl auszufechten, ließen seine Urinstinkte vergleichsweise intelligent erscheinen.
Während er vor einer Tunnelgabelung stand, zö-
gerte er und
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