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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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zusammengestoßen sein können, weil du mich gerade gewarnt hast, daß sie kommen.«
    Modell II versuchte, kurz darüber nachzudenken, kam dann aber zu dem Schluß, daß jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt dazu war.
    »Hör mal, würdest du mich jetzt … ?«
    Modell I schüttelte energisch den Kopf. »O nein, du wirst schön hierbleiben. Wenn sich hier einer von uns beiden umdrehen wird, um in die richtige Richtung zu laufen, dann kann ich das genausogut wie du sein.«
    Modell II blickte sein Spiegelbild verdutzt an.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Na ja, zunächst einmal bin ich nicht derjenige von uns beiden, der als erster in sie hineingelaufen ist und sie dadurch hat wissen lassen, wo ich war, stimmt’s?
    Deshalb halte ich es für am besten, sie schnappen dich, damit ich ihnen entwischen kann.«
    »Hör mal, das ist doch wohl …«, empörte sich Modell II, dann brach er mitten im Satz ab. »Warum wollen wir nicht zusammen …«
    372
    Modell I winkte ab. »Ach, sei nicht albern.«
    Das Geräusch stampfender Lederstiefel kam bedrohlich näher. »Aber wenn diese Kerle dich kriegen, dann kriegen die mich auch«, stellte Modell II aufgeregt fest.
    »Und umgekehrt.«
    »Sollen wir eine Münze werfen?«
    »Sehe ich so aus, als wäre ich von gestern?«
    »Darum würde ich jetzt allerdings nicht wetten«, antwortete Modell II. »Soweit ich weiß, bist du nämlich nicht nur von gestern, sondern auch von morgen.
    Aber wir sollten das lieber vertagen und jetzt loslau-fen, damit …«
    »Wenn wir eine Münze werfen«, fuhr Modell I fort und beachtete sich (selbst) nicht, »dann weißt du, auf welcher Seite sie landet, weil du mein späteres Ich bist und …«
    Das ist doch alles völlig verrückt, sagte Modell II zu sich selbst (wahrscheinlich handelte es sich dabei um ein drittes Selbst). Vielleicht versteht man so etwas unter einer gespaltenen Persönlichkeit oder zeitweiliger Schizophrenie. »Also gut, du hast die Wahl.«
    »Jaja«, nörgelte Modell I, »ist doch klar, daß du das sagst, weil du, längst weißt, daß ich mich falsch entschieden habe und so …«
    Blondel holte tief Luft und schrie »Hinter dir!«, und während sein anderes Selbst den Kopf nach hinten umdrehte, trat er ihm (sich) ins Geschlechtsteil.
    Dann, während er stöhnend am Boden lag, sprang er über sich selbst hinüber und rannte los.
    Direkt in eine herannahende ZK-Patrouille.
    373
    Er drehte sich um und floh. Zwar fiel ihm das Laufen bei diesen Unterleibsschmerzen nicht leicht, aber irgendwie schaffte er es. Angst spielte dabei sicherlich auch eine Rolle, vor allem aber das dringende Verlangen, sich selbst wiederzufinden und sich gehö-
    rig die Fresse zu vermöbeln.
    Etwa fünfzig Meter weiter prallte er erneut mit jemandem zusammen.
    »Du schon wieder!« fauchte er im Chor und schwang einen gewaltigen rechten Haken. Seine beiden rechten Fäuste landeten genau im selben Augenblick auf seinen beiden linken Augen, und er sackte k.o. zu Boden.
    »Stroh?«
    »Nein.«
    »Schatten?«
    »Nein.«
    »Schloß?«
    »Nein.«
    »Spinnwebe?«
    »Das ist eklig.«
    Guy schnaufte leise. »Das mag ja sein, aber ist das auch das richtige Wort?«
    »Nein.«
    »Das hört sich ganz nach einem sehr interessanten Spiel an«, meldete sich die Stimme aus ihrer ange-stammten Ecke in der Zelle freundlich zu Wort.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir die Spielre-geln zu erklären?«
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    Guy blickte in die Richtung der Stimme. Zwar war er auf seine Anpassungsfähigkeit recht stolz, doch die Aussicht, daß der gegenwärtige Zustand noch sehr viel länger dauern könnte, trug nicht gerade zu seiner guten Laune bei. »In Wirklichkeit ist dieses Spiel furchtbar langweilig«, sagte er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Saublöd sogar.«
    »Ach, Guy, das sind doch keine Gegenstände, auch wenn die Wörter mit einem S anfangen«, protestierte Isoud.
    »Also gut«, stöhnte Guy. »Sand vielleicht?«
    »Hier ist nirgendwo Sand«, antwortete Isoud.
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Sie hat recht«, mischte sich die Stimme schüchtern ein. »Wenigstens ist mir hier noch keiner über den Weg gekommen, bislang jedenfalls noch nicht.
    Ich kann mich natürlich auch irren.«
    »Was wir hier spielen«, erklärte Isoud der Stimme,
    »ist ›Ich sehe was, was du nicht siehst‹. Dazu denkt man sich dann einen Gegenstand aus und sagt zum Beispiel:
    ›Und das fängt mit S an.‹ Das ist der einzige Hinweis, den der andere kriegt.«
    »Ach, interessant.«
    »Auf diese

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