Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Weise weiß man, daß das Wort mit S
anfängt.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich etwas langsam bin«, sagte die Stimme, »aber was wäre, wenn das Wort mit einem anderen Buchstaben anfängt? Zum Beispiel mit einem G oder auch mit einem T? Oder darf 375
man sich nur ein Wort aussuchen, das mit S an-fängt?«
»Nein, wenn das Wort mit einem G anfängt, wür-de ich sagen: ›Ich sehe was, was du nicht siehst, und das fängt mit G an.‹«
»Ah ja, jetzt verstehe ich. Darf ich es mal versuchen?« fragte die Stimme.
»Ich bin noch gar nicht fertig«, beschwerte sich Guy und schlug schnell das Wort Steine vor.
»Nein.«
»Das Wort muß aber Steine sein«, widersprach er entschieden. »Hier ist sonst nichts, was mit S an-fängt.« Er blickte sich betrübt in der Dunkelheit um.
»Hier ist sowieso nichts, was mit irgendeinem Buchstaben anfängt, verdammter Mist!«
»Da irren Sie sich aber gewaltig, Sie alter Besser-wisser«, wies ihn Isoud zurecht. »Zum Beispiel gibt’s hier Sandstein.«
»Ist das Wort etwa Sandstein?«
»Nein.«
Mit gedämpfter Stimme flehte er zu Gott, ihm Kraft zu geben. »Also gut, Isoud, ich gebe auf. Und jetzt sagen Sie mir endlich, um welches Wort es sich handelt, sonst werde ich noch wahnsinnig.«
»Spannfeder«, antwortete Isoud mit stolzer Stimme.
» Spannfeder!?«
»Die Spannfeder im Schloß«, erklärte Isoud. »Ich habe doch gesagt, daß es etwas sehr Pfiffiges ist.«
»Das war wirklich pfiffig von Ihnen, sehr sogar«, 376
pflichtete ihr die Stimme vergnügt bei. »Wenn ich das mal so sagen darf …«
»Spannfeder!?« wiederholte Guy ungläubig.
»Ja, Spannfeder. Das Wort gibt es wirklich«, ver-teidigte sich Isoud.
»Ja, aber man kann sie nicht sehen.«
»Kann man doch.«
»Dann müssen Sie aber unglaublich gute Augen haben«, fauchte Guy, »denn die Spannfeder ist Teil der Mechanik, ergo steckt sie innerhalb des Gehäuses, ergo können Sie das Ding von hier aus nicht sehen, selbst wenn es hier nicht dunkel wie in einem Kohlenkeller wäre, was es zweifellos ist. Ich habe gewonnen.«
»Von mir aus.«
»Im Grunde …«, setzte die Stimme an. Als sie jedoch bemerkte – offenbar durch eine niedere Form der Telepathie –, daß sie von beiden Kontrahenten finster angeblickt wurde, fügte sie leise »Entschuldigung« hinzu und machte sich wieder daran, Spinnweben zu flechten.
»Ich bin dran«, stellte Guy fest.
»Nein, ich«, widersprach Isoud entschieden. »Sie haben eben betrogen.«
»Ich? Sie haben betrogen«, stellte Guy klar. »Eine Spannfeder gehört zur Mechanik eines Schlosses, da können Sie jeden fragen. Wenn Sie wollen, rufe ich den Wärter. Wenn sich hier jemand mit Schlössern auskennt, dann der.«
»Mit Ihnen spiele ich nicht mehr.«
377
»Gut.«
Ein Ratte schmiegte sich zärtlich an Guys Hand und war sowohl entsetzt als auch von Grund auf enttäuscht, als die Hand ihr das Genick brechen wollte.
Sie zog sich in eine abgelegene Ecke der Zelle zu-rück und nagte, da Nagetiere nicht weinen können, verlegen an einem Holzsplitter.
»Es könnte natürlich durchaus sein, daß uns irgend etwas Wichtiges hier drinnen entgangen ist«, stellte Guy unverhofft fest.
»Ach ja?« fragte die Stimme erwartungsvoll. »Er-zählen Sie.«
Guy griff in die Jacke und suchte nach etwas. Zu seiner großen Erleichterung war es noch da. »Um hier rauszukommen, müssen wir nichts anderes tun, als die Tür zu öffnen, stimmt’s?«
»Das wäre bestimmt hilfreich«, pflichtete ihm die Stimme bei. »Aber – und glauben Sie mir, es liegt mir fern, des Teufels Advokat oder so etwas zu spielen – das ist doch praktisch unmöglich?«
»Von wegen«, widersprach Guy entschlossen.
»Ich brauche das Schloß bloß aufzuschießen.«
»Du meine Güte!« staunte die Stimme. »Können Sie das denn?«
Guy zog den Revolver aus dem Halfter und machte Stielaugen. Das Licht reichte gerade aus, um zu sehen, daß er geladen war. »Ich wüßte nicht, warum ich das nicht können sollte«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen vor. »Alle in Deckung!«
Dann näherte er sich der Tür, ertastete das Schloß, 378
zielte mit nur wenigen Zentimetern Abstand direkt darauf und drückte ab. Der Knall, der den Insassen in der engen Zelle fast das Trommelfell zerriß, hallte nur langsam aus. Von der anderen Seite der Tür hörte man jemanden mit zornig-beleidigter Stimme rufen:
»Kannst du nicht aufpassen?« Guy versuchte die Tür zu öffnen.
Sie war noch immer verschlossen, allerdings war etwa
Weitere Kostenlose Bücher