Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
sagen, daß die Geschichte mit Isoud und mir sozusagen vom Schicksal vorbestimmt ist?«
»Wenn du so willst, ja«, antwortete Blondel. »Genau kannten wir natürlich nur das Ende der Geschichte, also mußten wir lediglich den Handlungs-ablauf ein wenig rekonstruieren. Dein Eis schmilzt übrigens und läuft dir gerade über den Kragen.«
»Wie lange ist das denn schon« – Guy zuckte zusammen; das alles klang so schrecklich nach Hellse-herei – »vom Schicksal vorbestimmt?«
»Seit wir die entwickelten Fotos zurückbekommen haben. Das ist nur einer dieser komischen Aspekte daran, wenn man in der Zeitkrümmung lebt. Man kriegt die Fotos Jahrhunderte früher wieder, als sie aufgenommen und zur Entwicklung geschickt wor-410
den sind auch wenn es andersherum meines Wissens wohl üblicher ist. Also wußten wir, daß sich Isoud in dich verknallen würde, und wir brauchten dich nur noch zu finden. Na ja, und ich dachte mir, solange du mir noch als freier Mensch zur Verfügung stehst, könntest du mir natürlich bei der Suche nach Richard behilflich sein.«
»Ich verstehe.«
»Offen gesagt«, fuhr Blondel schmunzelnd fort,
»hättest du mal Isouds Gesicht sehen sollen, als ihr zum erstenmal dein Foto vor Augen gekommen ist; ungläubiges Entsetzen ist nichts dagegen. Trotzdem hat sie sich offenbar mittlerweile mit dem Gedanken ganz gut angefreundet, nicht wahr?«
»Danke, zu freundlich von dir.«
»Keine Ursache.«
»Nun ja, das klingt ja alles ganz plausibel, aber das erklärt noch lange nicht, warum du mich aus meinem Jahrhundert geholt hast und …«
»Weil du kurz davor gewesen bist, getötet zu werden«, unterbrach ihn Blondel. »Erinnerst du dich nicht?«
»Ehrlich?«
»Habe ich dir das nie erzählt? Du hättest keine Chance gehabt, wenn ich nicht … Na egal, jetzt bist du ja hier. Auf keinen Fall konnte ich es zulassen, daß du vor der Hochzeit getötet werden würdest, das hätte alles total versaut. Unnötig zu erwähnen, daß niemand möchte, daß du nach der Hochzeit getötet wirst.«
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»Selbst Isoud nicht?« gab Guy zu bedenken. »Ich glaube noch immer nicht, daß sich ihre Einstellung sosehr geändert hat. Wie ich es sehe, hat sie keine sehr hohe Meinung von mir.«
»Und genau das ist, soweit ich es beurteilen kann, eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Ehe«, widersprach Blondel.
Guy dachte darüber nach und ließ sämtliche ihm bekannten Beispiele glücklich verheirateter Paare an seinem geistigen Auge vorüberziehen. Blondel hatte nicht ganz unrecht. Dann fiel ihm etwas ein.
»Und selbst wenn unsere Ehe vom Schicksal vorbestimmt ist, warum hast du dir dann überhaupt die ganze Mühe gemacht, mich zu finden? Wäre ich nicht irgendwann sowieso aufgekreuzt?«
»Wahrscheinlich«, räumte Blondel ein, »aber das hätte eine Ewigkeit dauern können, und ich bin schon immer darauf erpicht gewesen, die Hochzeit so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Zum einen«, fügte er hämisch grinsend hinzu, »weil ich eine tiefverwurzelte Abneigung gegen Kartoffelbrei habe, aber in erster Linie weil auf einem Hochzeits-foto, das du noch nicht gesehen hast, der Mann, der die Braut zum Altar führt, Richard Löwenherz ist.«
Guy verschluckte sich an der Eiscreme.
Blondel klopfte ihm auf den Rücken und fuhr fort:
»Um nun mein Ziel zu erreichen, mußte ich mehr oder weniger notgedrungen an deinem Schicksal herummanipulieren. Aber das weißt du ja selbst am besten, und ich hoffe nur, du bist mir deswegen nicht 412
böse. Auf jeden Fall wirst du jetzt auch verstehen, was ich damit meine, wenn ich sage, daß ich nicht viel von langen Verlobungszeiten halte. Ach, da ist sie ja schon.«
Isoud kam zurück. In den Händen hielt sie einen Lampenschirm, einen Abflußreiniger und ein Sieb.
Es geht schon los, sagte sich Guy. In diesem kritischen Augenblick wäre ihm eine Tür mit der Aufschrift Kein Zutritt nur recht gewesen.
»Kommt, laßt uns mal einen kleinen Bummel über die Kirmes machen und uns ein wenig genauer an-schauen, was hier so alles geboten wird«, schlug Blondel vor. »Ich finde, nach den ganzen Ereignissen der letzten Zeit haben wir uns alle einen freien Nachmittag redlich verdient. Nein, Guy, an deiner Stelle hielte ich mich vom Schießstand fern, dahinten steht ein Mann mit einer Mütze, und ich glaube nicht, daß er …« Mitten im Satz brach er ab.
»Blondel? Was hast du denn?«
Blondel hatte etwas entdeckt und starrte es mit offenem Mund und schweißüberströmtem
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