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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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gehandelt hatte.
    »Schieß los«, forderte Blondel ihn auf.
    »Wie machst du das?«
    »Was?«
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    »Durch Türen zu gehen, die in … na ja, die in solche Tunnel wie diesen hier führen.«
    Blondel lachte. »Auf diese Weise reisen wir durch die Zeit. Meine Agenten haben mir das beigebracht.«
    »Ich verstehe.« Eine Weile ging Guy schweigend weiter. Von der gebückten Haltung hatte er bereits einen völlig steifen Hals. »Und wie funktioniert das?« fragte er schließlich.
    »Nach dem Prinzip der Bürolücke«, antwortete Blondel. »Kommst du mit den Satteltaschen klar, oder soll ich sie mal tragen?«
    »Nein, nein, das geht schon«, wehrte Guy ab.
    »Was ist denn eine Bürolücke?«
    Blondel blieb stehen und schaute in einem winzigen Buch nach. Wie Guy auffiel, war Blondel in Wirklichkeit ein ganzes Stück kleiner, als man auf den ersten Blick vermuten mochte, denn er mußte nicht einmal den Kopf einziehen, um nicht gegen die Decke zu stoßen. »Hier entlang«, sagte er schließ-
    lich. »Ich hatte nämlich befürchtet, daß wir dahinten falsch abgebogen sind, aber dieser Weg hier ist richtig. Also, die korrekte Bezeichnung lautet Bürokratische ›Raum-Zeit-Wirkung‹, aber wir nennen das kurz und bündig Bürolücke. Wenn man erst mal das Grundkonzept verstanden hat, ist alles ganz einfach zu verstehen.«
    »Ah ja, sehr schön.« Guy hatte dieses furchtbare Gefühl, daß er die letzte Frage lieber nicht hätte stellen sollen, da sie zu jener Sorte Fragen gehörte, deren Beantwortung man später bedauern könnte.
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    »Es ist folgendermaßen … Aha! Hier geht’s übrigens links ab. Zieh den Kopf ein.«
    »Aua!«
    »Im Herzen aller bürokratischen Organisationen klafft eine riesige Wunde in dem Gefüge aus Raum und Zeit. Das ist so wie eine Art« – Blondel dachte angestrengt nach – »Lücke zwischen den Sofapolstern von Raum und Zeit. Dinge fallen hinein, verschwinden und tauchen irgendwann wieder auf. In der Zwischenzeit sind sie durch Raum und Zeit ge-wirbelt worden, bis sie mehr oder weniger dort wieder ankommen, wo sie anfangs gewesen waren. So funktioniert das System. Im öffentlichen Dienst sind sich dieser Tatsache alle bewußt, dort nennt man so etwas ›den Dienstweg gehen‹.
    Dennoch hat das auch seine Vorteile.«
    Guy wich gerade noch rechtzeitig einem Pfeiler aus.
    »Ach so?«
    »Ja, allerdings.« Blondel war erneut stehengeblieben und las in dem sehr schwachen Licht einer fast erloschenen Fackel mit zusammengekniffenen Augen Kleingedrucktes. »Weißt du, sämtliche Bürokratien sind eine einzige Bürokratie. Das britische Arbeitsministerium ist in Wirklichkeit dieselbe Organisation wie das türkische Innenministerium oder wie das königliche Schatzamt von Ludwig dem Sechzehnten und der römische Senatsausschuß für Abflußleitungen und Abwässerkanäle.
    Zwar benutzt jedes dieser Ämter verschiedenes 104
    Briefpapier, aber im Grunde sind sie ein und dieselbe Behörde.
    Und sämtliche Bürokratien sind über dieser Wunde in dem Gefüge aus Raum und Zeit errichtet worden, das Mark Aurel als das große Polstersofa bezeichnet hätte.
    Deshalb erhält man auch manchmal, wenn das System zusammenbricht, eine Aufforderung zur Zahlung der Einkommensteuer, die eigentlich an den Schah von Persien hätte gesandt werden müssen, während dem Erzbischof von Verona deine Strom-rechnung zugestellt wird.«
    »So was in der Richtung habe ich mir schon immer gedacht.«
    »Wie bitte?«
    »Ach, nichts. Erzähl bitte weiter.«
    »Wenn man sich dieser Tatsache erst einmal be-wußt ist, kann man sie sich zunutze machen«, fuhr Blondel fort. »Zur Zeit befinden wir uns in einem Kanal des öffentlichen Dienstes, was man dort den gewöhnlichen Dienstweg nennt. Oder, wenn du so willst, wir sind hinter dem Aktenschrank Gottes gelandet. Wir sind jetzt direkt unterhalb des Ausschus-ses für allgemeine Fragen und Finanzen der angelsächsischen Volksversammlung.
    Irgendwo dahinten ist die Staatsbank der Sowjet-union, und der Gang zu deiner Rechten führt zur Verpflegungsabteilung der großen Ratsversamm-lung von Dschingis-Khan. Mit etwas gutem Willen findet man sich hier unten eigentlich ziemlich 105
    schnell zurecht. Es ist ein wenig wie im Phantom der Oper.«
    »Aber wie sind wir hier eigentlich reingekommen?« wollte Guy wissen.
    »Ganz einfach.« Blondel blieb stehen und rieb sich die Augen. »Sicherlich ist dir schon mal aufgefallen, daß es in sämtlichen öffentlichen Gebäuden, die jemals errichtet wurden – von

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