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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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hierher zu kommen?«
    Der Hirsch nickte. Durch die Bewegung des Ge-95
    weihs zuckte Guy unwillkürlich mit den Händen, wodurch die Zigarette wie ein fliegendes Glühwürmchen in weitem Bogen durch die Luft schnellte. Er murmelte etwas vor sich hin und zündete sich eine neue an.
    »Und als wir auftauchten, solltest du uns zu der Stelle führen, wo dieser Trottel hier auf uns in Lauer-stellung gewartet hat, richtig?«
    Der Hirsch nickte erneut, aber dieses Mal war Guy innerlich darauf eingestellt.
    »Wußte ich’s doch. Wer hat dir denn verraten, daß wir heute abend hier entlanggehen?«
    Der Hirsch blickte ihn ausdruckslos an.
    »Rück schon raus mit der Sprache. Irgendwer muß es dir ja gesagt haben.«
    Der Hirsch zuckte mit den Blättern.
    »Also gut, lassen wir das. Wo kommst du denn her?«
    Schweigen.
    Dabei war es nach Guys Dafürhalten weniger so, als wolle der Hirsch nicht sagen, woher er kam, sondern vielmehr so, als wisse er es einfach nicht.
    Wahrscheinlich hatte er die Frage nicht richtig verstanden, denn Blondel drückte sich nun anders aus.
    »Wo wohnst du?«
    Schweigen.
    »Weißt du was?« fragte Blondel an Guy gewandt.
    »Ich glaube, wir verschwenden hier nur unsere Zeit. Bloß weil dieses blöde Viech sprechen kann, heißt das noch lange nicht, daß es intelligent ist.«
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    »Nun mal halblang! Überleg dir lieber genau, was du da sagst«, beschwerte sich der Hirsch beleidigt.
    »Und ob ich das tue«, reagierte Blondel gelassen.
    »Wenn wir genau nachsehen, dann, glaube ich, finden wir …« Er ging auf den Hirsch zu und beta-stete das Fell zwischen den Ohren. »Aha, da haben wir’s ja schon.«
    Blondel zog kräftig an etwas und hielt einen Gegenstand in den Händen. Im selben Augenblick ging das Licht aus.
    »Blondel, was soll das?« stieß Guy entsetzt aus.
    »Siehst du das hier?«
    »Nein, woher denn? Jemand hat das Licht ausgeschaltet«, beschwerte sich Guy.
    Blondel zeigte ihm einen kleinen grauen Kasten, aus dem einige Kabel hervorragten. »Das hier ist ein Hologrammprojektor mit integriertem Funkgerät. Zudem sendet es elektrische Impulse in das Hirn dieses bedauernswerten Geschöpfs, um damit seine Bewegungen zu kontrollieren. Cerf le Blanc ist nichts als ein ganz gewöhnlicher weißer Hirsch«, fügte Blondel hinzu, wobei er dem Hirsch die Schnauze tätschelte. »Nicht wahr, mein Junge?«
    »Ich verstehe«, log Guy. Er hatte das Gefühl, bis zu einem gewissen Grad erleichtert sein zu müssen, doch irgendwie empfand er nichts davon.
    »Alle diese Zaubereffekte wurden von dieser kleinen Trickkiste hier produziert. Auch die Stimme kam da raus. Wie ich annehme, werden damit auch unsere 97
    Worte zum Hauptquartier zurückübertragen, wo immer das ist. Stimmt’s, Jungs?«
    »Ja, das …«, setzte die Stimme von Cerf le Blanc an.
    Eine andere Stimme fuhr grob dazwischen, dann war ein laut vernehmbares Klicken zu hören.
    Grinsend stellte Blondel die Kiste auf einen Stein und trat ein paar Mal drauf. »Alles klar, du kannst den Hirsch jetzt losbinden. Wir beide sollten uns hier lieber verdrücken.«
    Vom Seil befreit, hob Cerf le Blanc die Hufe und schoß davon.
    Blondel nahm das Seil, rollte es ordentlich zusammen und verstaute es in der Satteltasche. »Die beste und sicherste Methode wäre, uns auf eine Getreidebörse oder etwas Ähnliches zu begeben.«
    Guy, der gerade das Gefühl hatte, wenigstens einigermaßen mit allem fertigzuwerden – zumindest rein äußerlich –, spürte plötzlich, wie ihm die Kinnlade herunterklappte. »Auf eine Getreidebörse also«, wiederholte er staunend.
    »Eine Garnbörse tut’s natürlich auch«, fuhr Blondel fort. »Wie ich annehme, können wir es zur Not auch mit einem Zunfthaus oder dergleichen versuchen, aber dort könnten sich zur Zeit durchaus Leute aufhalten. Eine Kirche halte ich irgendwie auch für keine gute Idee; das sind zwar Idioten, aber durchaus keine Dummköpfe.
    Kommst du?«
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    Etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang erreichten sie die Stadt. Das Wandsworth aus dem vierzehnten Jahrhundert wachte allmählich auf, entschied sich, noch ein paar Minuten länger schlafen zu können, und drehte sich im warmen Stroh auf die andere Seite um.
    Blondel beschleunigte seinen Gang. »In den achtziger Jahren des vierzehnten Jahrhunderts gab es hier eine Getreidebörse, aber anscheinend ist die noch nicht gebaut worden«, flüsterte er, während sie sich an einem schlafenden Bettler vorbeischlichen. »Nach meinem Dafürhalten waren die Mauern nicht ganz

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