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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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der Zikkurat von Ur über das Kolosseum und den Kölner Dom bis hin zu sämtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten –, Unmengen von Türen gibt, auf denen Privat – kein Zutritt! oder Nur für Mitarbeiter steht, richtig?«
    »Ja.«
    »Gut. Aber hast du dich noch nie gefragt, wohin diese Türen eigentlich führen?«
    »Nein«, räumte Guy ein.
    »Natürlich nicht, schließlich hat man dich so erzogen.
    Niemand weiß das, und genau das ist der sprin-gende Punkt. Ich meine, du hast doch bestimmt noch niemals jemanden durch eine dieser Türen raus- oder reingehen sehen, stimmt’s?«
    Guy nickte.
    »Nun, jetzt weißt du’s. Diese Türen führen allesamt nach hier unten. Und das heißt«, fuhr er gähnend fort, wobei er die kleine Kladde zuschlug und wieder ins Portemonnaie zurücksteckte, »daß es, wo immer sich ein öffentliches Gebäude befindet, egal, von welcher Beschaffenheit (Bücherei, Stadthalle, Bahnhof, Ministerium, Zwinger für die königlichen 106
    Jagdhunde« – Blondel rümpfte die Nase und zeigte nach oben –, »Klärwerk, Kanalisation, Raumstation oder sonst was), dort überall stets einen Zugang zur Gesamtheit von Raum und Zeit gibt, und man nicht mehr tun muß, als dreimal anzuklopfen und hinein-zugehen. So einfach ist das. Jedenfalls ist das weit besser als dieses alberne Getue mit den Transmitter-strahlen. Ah ja, ich glaube, wir sind da.«
    Vor ihnen befand sich eine Tür.
    »Eine Weile lang hatte ich gedacht, die könnten König Richard hier unten festhalten. Weißt du, irgendwo in den Archiven abgelegt, Füße und Hände mit Ketten aus Büroklammern gefesselt. Dem ist aber nicht so, ich habe überall nachgesehen.«
    »Wo sind wir denn jetzt?« erkundigte sich Guy besorgt und neugierig zugleich.
    Blondel grinste. »Das wirst du schon sehen. Bist du bereit?«
    »Saaldiener, nehmen Sie dieses Spielzeug weg«, grummelte Oliver Cromwell wütend.
    Hinter dem Stuhl des Präsidenten des Unterhauses öffnete sich eine Tür. Bislang war sie noch nicht vielen Menschen aufgefallen, wahrscheinlich weil auf ihr in Buchstaben aus Blattgold stand: Hir trete nur in, swer hir arbeitet .
    Der Saaldiener erhob sich nur langsam und ging mit grenzenloser Angst zu dem Tisch hinüber, auf dem der große Amtsstab lag. Cromwells Gesichtsausdruck blieb unversöhnlich.
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    »Das ist sein Fehler«, erklärte ein Oberst dem Un-terhausabgeordneten von Ashburton. »Wenn man ihn zu sehr hofiert, kann er sehr widerborstig werden …«
    Auf den Hinterbänken erhob sich eine einsame Gestalt. Der Saaldiener blieb wie angewurzelt stehen.
    Er wußte, daß Geschichte von Menschen gemacht wurde; er war auch scharfsinnig genug, um zu ahnen, daß das Produzieren von Geschichte ein genauso ge-fährlicher Beruf wie der eines Bergbauarbeiters war.
    »Lordprotektor, mit welchem Recht … ?« begann die vereinzelte Person.
    Hinter dem Präsidentenstuhl erstarrte Guy vor Entsetzen. Er hatte das furchtbare Gefühl, daß er ganz genau wußte, wo und in welcher Zeit er sich aufhielt es war fast so, als wenn man gerade fest-stellt, daß die große Glaskugel, die man soeben samt Inhalt auf den Teppich seines Gastgebers ausgekippt hat, normalerweise dem Goldfisch des Hausherrn als Herberge dient.
    »Komm endlich, du trödelst schon wieder herum«, zischte Blondel.
    »Ja, aber ich …«
    Doch Blondel war gar nicht mehr da. Statt dessen stand er vor dem Präsidenten des Unterhauses und zeigte ihm ein zerknülltes Stück Papier. Nachdem der Präsident es durchgelesen hatte, nickte er und forderte Blondel auf, das Wort zu ergreifen. Offenbar stand er unter dem Eindruck, daß Blondel der Unterhausabgeordnete von Saffron Waiden war.
    Dabei sprach Blondel eigentlich weniger, sondern 108
    sang vielmehr; er trug L’Amours Dont Sui Epris vor und war gerade bis zur Zeile Remembrance dou vis gekommen, als der dicke Mann mit dem Pickelge-sicht, der gesprochen hatte, als sie hereingekommen waren, zwei Wächter lautstark aufforderte, diese komische Witzfigur sofort festzunehmen und in den Fluß zu werfen.
    Guy wußte, daß nun schnelles und besonnenes Handeln gefragt war, und er versuchte durch die Tür, durch die er gerade hereingekommen war, auf Knien und Händen rückwärts wieder hinauszukriechen.
    Blondel hatte sich umgedreht. Er starrte nun Cromwell mit einem Blick an, der Milch hätte sauer werden lassen können, und fauchte: »Wen nennt Ihr hier eine komische Witz … ?« Als Blondel bemerkte, daß ihm ein Hellebardier an den Kragen wollte, trat er ihm

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