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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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war nämlich neu.
    »Ruhe!« brüllte er.
    Die Hellebardiere rappelten sich hoch, blickten ih-re verbogen Speerspitzen an und bezogen murrend ihre Posten. Die Mitglieder des Unterhauses setzten sich.
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    Auch Cromwell nahm wieder seinen Platz ein.
    »Nun denn, auf diese Weise sind wir wenigstens diesen dämlichen Amtsstab losgeworden«, stellte er mit Genugtuung fest.
    Die Verhandlungen hatten ein kritisches Stadium erreicht.
    Mit geübter Geste gab der Seniorpartner einem Kellner zu verstehen, eine frische Kanne Kaffee und fünf weitere Tabakpfeifen zu bringen.
    »Aber wenn wir das gesamte Geld unserer Mandanten aus der South Sea Company zurückziehen, rufen wir dann nicht eine Vertrauenskrise hervor?«
    fragte der Broker.
    »Mag sein, aber was heißt das schon?« entgegnete der Seniorpartner.
    »Aber …« Dem Broker fehlten die Worte, und er gestikulierte ratlos mit den Händen. Sein Begleiter kam ihm zu Hilfe.
    »Wenn die Öffentlichkeit Lunte riecht, daß mit der South Sea Company etwas nicht in Ordnung sein könnte, hätte das katastrophale Auswirkungen und einen sofortigen Zusammenbruch zur Folge«, mahnte er. »Die Wirtschaft unseres Landes – von ganz Europa sogar – würde den Bach …«
    Der Seniorpartner schnitt ihm mit einer brüsken Handbewegung das Wort ab. »Hören Sie, Mister …
    ähm …«
    »Smith. Adam Smith.«
    »Mister Smith, Sie haben mir meine Frage nicht 113
    beantwortet; was heißt das schon? Alle Ihre Gelder werden sicher in den dritten Kreuzzug investiert, bei siebenundsechzigprozentiger Verzinsung, und das in Kapitalanleihen. Was kratzt es einen da noch, wenn die gesamte britische Wirtschaft den Bach runter-geht?«
    Mister Smith’ Unterlippe zitterte leicht. »Aber das
    … das ist doch …«, stammelte er.
    »Was könnte Ihnen denn von Ihrem Standpunkt aus Besseres passieren?« fuhr der Seniorpartner fort.
    »Jetzt verkaufen, wieder anlegen, zurückkaufen, wenn die Marktlage den Tiefstand erreicht hat, und einen doppelten Gewinn machen. Das Wunderbare daran ist, daß Ihr Geld dank der einzigartigen Möglichkeiten, die Ihnen unser Anlagefond-Simultan-management bietet, sowohl in den dritten Kreuzzug als auch gleichzeitig in die zwar langsam, aber stetig wachsende britische Wirtschaft investiert werden kann. Nun ja, eher synchron als zur gleichen Zeit, aber das ist ein rein technischer Unterschied, und ich möchte Sie nicht mit naturwissenschaftlichen Einzelheiten langweilen.«
    »I-ich …«, stotterte Mr. Smith, aber sein Freund, der Broker, unterbrach ihn.
    »Ich finde, das hört sich gut an«, stellte er nüchtern fest.
    Der Seniorpartner lächelte. »Das ist die richtige Einstellung«, freute er sich. »Wenn wir jetzt weitermachen können, dann würde ich gern zum Thema Lebensversicherung kommen. Wir bieten eine große 114
    Bandbreite maßgeschneiderter Versicherungen auf den Todes- und Erlebensfall an, die …«
    »Moment mal«, fuhr Mister Smith dazwischen.
    »Einen Moment mal bitte.«
    Die Anwesenden blickten sich verdutzt an. »Ja, was ist denn?« fragten sie wie aus einem Mund.
    Mr. Smith bemühte sich redlich, die Fassung wie-derzuerlangen, und sagte: »Meine Herren, es mag Ihnen zwar nicht bewußt sein, aber ich bin von Beruf ein Student der Wirtschaftslehre. Ich bin sogar stolz darauf, daß ich bezüglich der Währungsanalyse kurz vor einem großen Durchbruch stehe, der nach meiner festen Überzeugung die Praxis des ökonomischen Handelns in ganz Europa revolutionieren wird. Meiner Ansicht nach …«
    »Ich weiß«, unterbrach ihn der Seniorpartner. »Die haben Sie ja in Ihrem Hauptwerk ›Untersuchung über die Natur und die Ursachen des Nationalreich-tums‹ kundgetan.«
    Mister Smith’ Kinnlade klappte herunter. »Sie haben von meinem Buch gehört?«
    »Natürlich.«
    »Aber das ist doch unmöglich«, widersprach Smith heftig. »Ich habe erst heute morgen die letzte Überarbeitung beendet. Ich habe es sogar dabei, weil ich es gleich zum Verleger bringen will.«
    Der Seniorpartner lächelte geduldig. »Ach, Sie haben wirklich das aktuelle Manuskript dabei?«
    Smith merkte, wie er unwillkürlich vor Stolz leicht errötete. Es war schon lange hergewesen, seit er von 115
    jemandem ernstgenommen und ihm der angemessene Respekt entgegengebracht worden war, den sein Genie verdiente. »Und ob ich es dabeihabe«, antwortete er.
    »Na, das ist ja ein Ding!« Der Seniorpartner wirkte plötzlich wie ausgewechselt. »Ich habe wirklich schon von Ihrem beeindruckenden Werk gehört,

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