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Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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sind fast da«, und pfiff dazu einige bekannte 119
    Melodien, zu denen auch Stardust und The Girl I Left Behind Me gehörten.
    »Du darfst nie vergessen, daß die Geschichte ständig im Fluß ist«, fuhr er fort. »Sie verändert sich andauernd, was man an den Freigeistern und den Zeitwächtern und den Editeurs Saunce Pitie sieht. Aber egal. Wenn ich diesen Hebel hier drüc-ke, dann …«
    Eine Tür öffnete sich, und Blondel ging hindurch.
    Erfahrung, so sagen spitzfindige Psychologen, ist wie ein Mensch, der gegen einen Laternenpfahl läuft und sich auf diese Weise selbst außer Gefecht setzt.
    Sobald er wieder zu sich kommt, hat der Schlag bei ihm einen partiellen Gedächtnisverlust hervorgerufen, was bedeutet, daß das Opfer – unter anderem –
    vergißt, sich durch Zusammenstöße mit Laternenpfählen Verletzungen zufügen zu können. Deshalb rennt es für den Rest seines unnatürlich kurzen Lebens weiterhin gegen Laternenpfähle.
    »Blondel!« rief Guy ihm hinterher, aber sein Ge-fährte war längst nicht mehr da. Also zuckte er nur mit den Achseln und folgte ihm.
    »L’Amours Dont Sui Epris
    Me semont de chanter«,
    sang Blondel. Zwar warfen ein paar Passanten kleine Münzen in seinen Hut, doch ansonsten nahm kaum jemand von ihm Notiz.
    »Na gut, hier scheint er auch nirgends zu sein«, 120
    stellte er schließlich resigniert fest. »Wie war’s, wenn wir irgendwo etwas trinken gingen?«
    Guy hatte Blondel vergeblich zu erklären versucht, daß es in der Nähe der U-Bahnstation Elephant and Castle kein Kastell und erst recht keinen Elefanten gebe; soweit er sich erinnern könne, sei der Name im Laufe der Jahre versehentlich aus ›Infantin von Ka-stilien‹ entstanden, und selbst wenn es an dieser Stelle jemals ein Kastell gegeben haben sollte, dann sei es höchst unwahrscheinlich, daß hier noch 1987 eine Burg oder dergleichen stehe, da sich dort mittlerweile eben ein Bahnhof befinde. Er hatte alles versucht, Blondel diese Dinge klarzumachen, und es nicht als sonderlich befriedigend empfunden, noch länger mit ihm ›Ich sehe was, was du nicht siehst‹ zu spielen.
    Um so besser gefiel ihm nun der Vorschlag, etwas trinken zu gehen.
    »Also abgemacht, aber hör noch mal kurz zu«, sagte Blondel. Dann leerte er den Hut und legte ihn wieder auf den Boden, holte die Laute hervor und sang ein paar neue Lieder, die Guy noch nie zuvor gehört hatte.
    Zwar gefielen sie Guy nicht sonderlich, jedoch wurde seine Ansicht von den Passanten offenbar nicht geteilt, denn sie erwiesen sich als äußerst spen-dabel, und schon bald war der Hut randvoll mit Münzen, was nach Blondels Ansicht für ihre zukünftigen Absichten nur angemessen war.
    »Direkt hinter der nächsten Straßenecke war immer eine ganz nette Teenie-Kneipe«, sagte er. »Gutes 121
    Bier, aber die einzige Chance, um an den Billardtisch zu kommen, bestand darin, ein kurzes Stück durch die Zeit zurückzuflitzen und das Geld einzuwerfen, bevor das vorhergehende Spiel beginnen konnte.
    Wollen wir’s mal versuchen?«
    »Wann soll das denn gewesen sein?« erkundigte sich Guy zaghaft.
    »Als ich das letztemal hiergewesen bin.«
    »Und wann war das? Dreizehnhundertvierundsechzig? Fünfzehnhundertsiebzig?«
    »Nein«, antwortete Blondel grinsend, »das mag neunzehnhundertsiebenundneunzig gewesen sein.
    Wie ich immer sage, die Zeit vergeht wie im Fluge, wenn man sich amüsiert.«
    Um nicht verhaftet zu werden, schlugen die beiden Blondels Schwert und Guys Revolver in eine Decke ein und gingen um die Ecke ins Nine Bells. Als sie sich hinsetzten und das Bier probierten, lächelte Blondel.
    »Das ist einer der Vorteile meines Lebensstils«, seufzte er voller Genugtuung, »man nimmt einfach mehr am Fortschritt teil.«
    Guy wischte sich etwas Schaum vom Mund. »Wie meinst du das?«
    »Du weißt doch selbst, wie das ist. Wenn man älter wird, schmeckt das Bier nicht mehr so gut, die Polizisten werden jedes Jahr jünger und so weiter und so fort. Wenn ich es irgendwie einrichten kann, versuche ich meine Gegenbesuche nun in chronologisch umgekehrter Reihenfolge zu legen, um die ge-122
    genteiligen Wirkung zu erzielen; leckres Bier, greise Polizisten, und als ich das letztemal hiergewesen bin, hat ein Halber dreißig Pence mehr gekostet. Trink aus.«
    Guy trank aus, wodurch er sich wenigstens etwas besser fühlte. »Also müßte ich jetzt mittlerweile so um die Mitte siebzig sein«, rechnete er laut nach.
    »Das heißt, falls ich den Krieg überlebt habe.«
    »Ganz genau«,

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