Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Vanillesoße aus, die ihm durch die Nase in den Rachen gelaufen war, und gluckste: »Ich weiß es nicht.«
»Du weißt es nicht?«
»Wirklich, ich weiß es nicht.«
Blondel hielt kurz inne, während ihn der Gefangene aus großen runden Augen anstierte.
»Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, was deine sogenannten Kameraden mit dir anstellen werden, wenn du heute abend mit Milchreis und Sirup überzogen zu ihnen zurückkehrst? Und zwar dekoriert mit einer Banane direkt im …«
»Ich weiß es wirklich nicht!« kreischte Clarenceaux.
»Wir dürfen es nicht wissen, weil wir in Gefan-genschaft geraten könnten. Wir werden immer von diesem busähnlichen Ding abgeholt und zum Ein-satzort gebracht.
Später sammelt es uns wieder ein. Während der Fahrt werden uns Papiertüten über den Kopf gestülpt.
Ehrlich, ich sage die Wahrheit.«
Blondel strich sich mit der vanillesoßefreien Zone seines rechten Handrückens über das Kinn. »Ich glaube dir trotzdem nicht. Guy, schau doch mal nach, ob du irgendwo Milchreis auftreiben kannst, und zwar viel Milchreis. Sei so lieb, ja?«
»Hören Sie, Mister, ich …«
»Ach, und natürlich auch noch eine Banane, Guy.
Die dürfen wir auf keinen Fall vergessen.«
Clarenceaux schluchzte bereits, doch Blondel blieb unnachgiebig. »Das Chastel, wo liegt es?«
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»Ich, weiß es nicht. Ich …«
»Hast du schon den Milchreis, Guy?«
Guy stand griesgrämig auf. Wo sollte er bloß zu dieser Zeit und an diesem Ort Milchreis herbekom-men?
»Lassen Sie ihn bitte in Ruhe«, mischte sich plötzlich Pursuivant ein. »Sehen Sie denn nicht, daß er die Wahrheit sagt?«
Blondel wandte sich von seinem Opfer ab, blickte Pursuivant in die Augen und zischte: »Unmengen von Milchreis sogar, Guy.«
»Das ist die Wahrheit, glauben Sie mir«, wimmer-te Pursuivant. »Wir wissen wirklich nichts, keiner von uns. Der Bus kommt und holt uns auch später wieder ab. Das ist so ein großes graues Ding mit so einer merkwürdigen Auspuffanlage.«
Blondel nickte und verschränkte die Arme, wobei er sich unausweichlich mit Vanillesoße beschmierte.
»Erzähl weiter«, forderte er Pursuivant auf.
»Was wollen Sie denn wissen?«
»Na, fang doch einfach mit dem Nummernschild an.«
»Ach, das ist kein Problem. Das Kennzeichen lautet Z …«
Dann passierte etwas, was Guy nie erwartet hätte.
Giovanni, der die ganze Zeit mit der Soßenschüssel hinter Blondel gestanden hatte, hob das Gefäß plötzlich in die Luft, kippte es um und stülpte es samt Inhalt über Blondels Kopf. Als Guy auf ihn losgehen wollte, warf ihm einer der anderen Brüder –
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wahrscheinlich Iachimo – das Mehl ins Gesicht und spritzte ihm dann aus einer Sprühdose, die offenbar zufällig in seiner Nähe gestanden hatte, Schlagsahne in die Augen, wodurch er kurzfristig erblindete. Unterdessen schnappte sich der dritte Bruder die drei Gefangenen und schob sie in Richtung Ausgang.
Guy wischte sich verzweifelt die Sahne aus den Augen, verpaßte Iachimo einen Schlag in die Magen-grube, wodurch dieser erst einmal außer Gefecht gesetzt war, zog dann den Revolver und schoß auf die fliehenden Gefangenen. Das Geräusch zersplittern-den Porzellans war zu hören, und die Soßenschüssel auf Blondels Kopf zersprang genau in der Mitte in zwei Teile, die ihm über die Schultern und an den Armen entlang langsam auf den Boden glitten.
Giovanni wurde von einem Scherbensplitter am rechten Ohr getroffen, schrie wütend auf und stolperte rückwärts in eine Obsttorte. Iachimo war in einen Wäschekorb gefallen. Der dritte Bruder, Marco, war erschreckt hochgefahren, als Guy abgedrückt hatte, war dann auf einem Klecks Vanillesoße ausgerutscht und mit einer Stehlampe zusammengestoßen, deren Schirm ihm nun wie ein Stechhelm auf den Schultern saß. Die Tür schloß sich mit einem lauten Knall, und von draußen waren noch kurz die stampfenden Schritte der Flüchtenden zu hören, bis sie in der Ferne verhallten.
Blondel wischte sich mit einem Handtuch die So-
ße aus den Augen und Ohren. »So, das reicht für heute«, stellte er fest.
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Dann ging er auf Giovanni zu, der sich leicht krümmte, und Guy erkannte rasch, daß der älteste Lombarde, trotz seines spontanen und geschickten Umgangs mit der Soßenschüssel, bestimmt kein Mensch war, der sich unter normalen Bedingungen zu unbedachten Handlungen hinreißen ließ.
»Kein Angst, ich werde Ihnen nichts antun«, zischte Blondel. »Aber welcher Teufel hat Sie eigentlich
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