Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat
Tür hindurch, hinter der sich La Beale Isoud aufhielt und wo sie gerade, nach 279
den Geräuschen zu urteilen, Möhren kleinhackte, und vergewisserte sich, daß sie fest geschlossen war.
Dann sprang er nach einer der Lampenhalterungen in der Wand, bekam sie zu fassen und schwang sich in eins der Stabwerkfenster hoch, wo er aus einem Mauerspalt etwas hervorholte, das er Guy zuwarf. Es handelte sich um ein Lederfutteral, in dem dreieinhalb Rollen Schokoladenkekse eingewickelt waren.
»Das ist mein Geheimvorrat«, klärte er Guy deutlich flüsternd auf. »Ich muß die Dinger verstecken, sonst fertigt die daraus glatt einen Boden für Käsekuchen an.
Die macht einen Käsekuchen, durch den du nicht einmal einen Armbrustbolzen schießen kannst. Bedien dich.«
Guy steckte sich ein paar Kekse in die Tasche und warf das Futteral wieder nach oben. Nachdem Blondel seinen Schatz verstaut hatte, schwang er sich, kräftig kauend, auf den Boden zurück.
»Natürlich backt sie auch selbst Plätzchen«, nuschelte er mit vollem Mund, »aber die sind steinhart, mit Mandeln und ohne Schokolade. Ich meine, zum Essen eignen die sich zwar weniger, aber als Briketts für ein anständiges Feuer sind die ganz hervorragend.
Na egal, wir hatten uns gerade überlegt, etwas zu trinken.«
Doch bevor sie zu den Karaffen gelangen konnten, hämmerte jemand gegen die Kohlenkellertür.
Blondel zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Er-wartest du jemanden?«
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Guy schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht, es sei denn, das ist ein Vertreter wegen der neuen Doppelverglasung. Wenn nicht, dann muß uns jemand gefolgt sein, zumal es im elften Jahrhundert nur selten Angebote für Doppelglas-fenster gibt.
In Städten wie Chartres oder Saint Denis wäre das natürlich was ganz anderes. Ich denke, ich sehe lieber mal nach.«
Mit einer raschen Armbewegung zog er ein Schwert von der Wand und versteckte es hinter dem Rücken.
Mit der anderen Hand entriegelte er die Tür und zog sie auf. Giovanni, Iachimo und Marco standen dahinter.
»So falsch habe ich da gar nicht gelegen, was Vertreter angeht. Was wollen Sie hier, meine Herren?«
Er holte das Schwert hervor und lächelte. »Na, kommen Sie erst mal herein, und vergessen Sie vor allem nicht, schnell die Hüte abzunehmen.«
Die Galeazzo-Brüder nahmen sofort die Hüte ab, und Blondel ließ grinsend das Schwert zu Boden sinken.
»Will jemand was zu trinken?« fragte er. »Ich hoffe, Sie mögen alle Kartoffelbrei. Also, wie sind Sie hierhergekommen, und was wollen Sie von mir?«
Mit einer schwungvollen Gebärde schenkte er fünf Gläser Met ein und reichte sie herum.
»Wir sind getelext worden«, verkündete Marco stolz, und wahrscheinlich hätte er das noch ausführli-281
cher erläutert, wenn ihm Giovanni nicht auf den Fuß getreten wäre. Zwar hatte Marco dazu aufstehen und die halbe Halle durchqueren müssen, doch war er darauf gedrillt, auf die Körpersprache seiner Brüder zu reagieren, und wenn sie versehentlich einmal darauf verzichteten, dann brachte ihn das nur unnötig durcheinander.
»Auf unserem Rückweg aus den Archiven haben wir nur irgendwo kurz mal eine Pause eingelegt, um uns etwas zu erfrischen«, ergriff Giovanni rasch das Wort.
»Dabei sind wir zufällig im Telefonbuch auf Ihren Namen gestoßen und hielten es trotz der geringen Chance, Sie hier anzutreffen, für eine gute Idee, mal vorbeizuschauen.« Er blickte sich in der Halle um und fuhr fort:
»Ein schönes Heim haben Sie hier. Haben Sie sich eigentlich schon mal gefragt, ob das hier auch alles wirklich ausreichend versichert ist? Wir könnten Ihnen eine kombinierte …«
Blondel schüttelte den Kopf. »Das hat keinen Sinn. In genau fünf Tagen brennt das hier alles bis auf die Grundmauern ab. Kein Stein steht dann mehr auf dem anderen.«
»Ach ja?«
»Macht aber nichts, alle vier Tage bewege ich das Ding in der Zeit zurück. Das bedeutet außerdem, daß ich so gut wie keine laufenden Kosten habe. Ganz praktisch.«
Giovanni blickte seine beiden Brüder an und 282
winkte mit säuerlicher Miene ab. »Egal, wir sind sowieso nicht nur aus reiner Nächstenliebe hier.«
»Ach, nein? Sie erstaunen mich.«
»Wir haben sogar sehr ernste geschäftliche Probleme mit Ihnen zu erörtern«, fuhr Giovanni fort.
»Ihnen ist doch hoffentlich klar, daß Sie Vertrags-bruch begangen haben, oder?«
»So?«
Giovanni nickte mit ernster Miene. »Und zwar haben Sie gegen die Vertragsklauseln eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs,
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